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Wasserwand über Görlitz

Am Sonnabend öffnete der Himmel so gewaltig seine Schleusen, dass Keller vollliefen und der Weiße Schöps über die zweite Alarmstufe kletterte.

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Von Ralph Schermann

Auf den ersten Blick sieht die Regenbilanz des Sonnabends mit 36,7 Liter je Quadratmeter ziemlich normal aus. Dennoch wurde es stellenweise dramatisch, denn das Wasser kam sturzflutähnlich fast auf einmal herunter – nämlich zwischen 13 und 14.30 Uhr und noch heftiger zwischen 18.45 und 19.30 Uhr. Da verdunkelte die plötzliche Wasserwand den Himmel, ließ die Temperaturen um gut zehn Grad sinken und die Neiße fast schlagartig um 20 Zentimeter an der Messstelle am Hirschwinkel ansteigen. Noch deutlicher zeigten sich Folgen des Gusses am Weißen Schöps. Am Pegel Holtendorf kletterte der Wasseranzeiger binnen einer Stunde von 49 auf 219 Zentimeter und erreichte damit kurzzeitig sogar die zweite Alarmstufe. So schnell das Wasser stieg, so schnell floss es aber zum Glück auch gleich wieder ab.

Pausenlos Alarm für die Feuerwehr

Für die Görlitzer Feuerwehr begann nach 19 Uhr allerdings erst das Drama. „Rund vier Stunden lang wurden wir zu 21 Einsätzen gerufen“, berichtet Wachabteilungsleiter Thomas Fornfeist. Aus mehreren Görlitzer Kellern musste Wasser abgepumpt werden, doch auch die Kanalisation war von den Sturzbächen überfordert. „Sogar Gullydeckel hat das Wasser herausgedrückt“, informiert Fornfeist. Hier zeigte sich allerdings auch eine Unsitte der Görlitzer: In Gullys gequetschter Abfall wie Hundekotbeutel verstopfen die Einlassfilter. Insgesamt waren 50 Wehrleute der Berufsfeuerwehr sowie der Ortswehren Stadtmitte, Ludwigsdorf, Klingewalde/Königshufen, Weinhübel und Kunnerwitz/Klein Neundorf mit zehn Fahrzeugen als Wasserwacht unterwegs. Sogar ins Klinikum mussten die Wehrleute – dort war Wasser bis in den Kreißsaal durchgedrungen.

Im von Hochwasser in jüngster Zeit oft mitgenommenen Schlauroth dagegen hielten sich Schäden diesmal in Grenzen. Bei den Teichgräben stoppten die Fluten zwei Zentimeter vor dem Überlaufen, aus Richtung Pfaffendorfer Felder abfließender Regen eroberte einige Garagen und stand auch schon an ersten Kellerkanten, berichtet Ortsvorsteher Bernd Wünsche. Als „nicht nennenswert“ beschrieb die Rettungsleitstelle dagegen Wasserschäden im Umland zwischen Reichenbach und Zodel. Das unterstreicht die Sicht der Meteorologen, dass solche Unwetter ihre Schäden sehr örtlich begrenzt anrichten.

Walze rollt unter Gewitterwolken

Beobachter Helge Friedrich von der Görlitzer Wetterwarte schildert neben dem starken Regen ein im Wettergeschehen selten anzutreffendes Erlebnis: „Es gab am Sonnabend eine Böenwalze.“ So ein Ereignis, manche nennen es auch Böenkragen, ist eine walzenförmig „abrollende“ Wolke, die unterhalb der vorhandenen Gewitterwolke agiert. „Das sieht sehr dunkel und sehr bedrohlich aus“, beschreibt der Meteorologe diese Beobachtung. Böenwalzen sind wegen ihrer plötzlichen Richtungs- und Geschwindigkeitsänderungen vor allem für die Luftfahrt eine extreme Gefahr – für Görlitz war die Beobachtung lediglich ein faszinierendes Bild. Mit 58 km/h rollte die Walze am späten Sonnabend aus Südwest über die Stadt. Wer allerdings mit den Folgen des gewaltigen Regens zu tun hatte, dürfte für so ein besonderes Himmelsereignis freilich keine Muße gehabt haben.