Von Ines Eifler
Für Vera Tacke sind die Tage als Einwohnerin von Görlitz gezählt. Das Sommerkonzert der Neuen Lausitzer Philharmonie an der „Kommwohnen“-Villa am Sonntag hat sie noch besucht. Doch zu Hause in der Holteistraße stehen schon die Umzugskartons und Koffer bereit. Während andere für ihren Sommerurlaub packen, bereitet Vera Tacke nach sieben Jahren in Görlitz den Umzug ihrer Familie nach Hamburg vor. Ihr Mann, der frühere Görlitzer Siemens-Chef Markus Tacke, war schon vor einem Jahr dahin versetzt worden, doch nach der langen Phase des Pendelns will die Familie wieder vereint an einem Ort wohnen.
„Als die Entscheidung von Siemens kam, war ich verzweifelt“, sagt Vera Tacke. „Auch wenn ich mich inzwischen daran gewöhnt habe und wir uns auf das weltoffene Hamburg freuen: Mir fällt der Abschied von Görlitz wirklich schwer.“ Denn ihr gefielen nicht nur die Stadt und das Leben in der Stadt an der polnischen Grenze. Sie hat in den vergangenen drei Jahren auch viel bewegt und aufgebaut. Menschen, die sonst nur wenig Berührung mit Theater und klassischer Musik haben, wollte sie für diese Kultur begeistern. Außerdem war es ihr ein Anliegen, die Musiker der Neuen Lausitzer Philharmonie dabei zu unterstützen, nicht nur als Orchester wahrgenommen, sondern auch als Einzelne mit ihren individuellen Talenten und Fähigkeiten. Dafür initiierte sie 2011 zunächst eine Reihe kammermusikalischer Begleitveranstaltungen zur Via-Regia-Landesausstellung unter dem Dach des Kulturstadtvereins. Danach gründete sie mit Musikern des Orchesters den Verein „PhilMehr! Philharmonische Brücken“. Dieser veranstaltet seit 2012 mehrere Kammerkonzertreihen mit Görlitzer Musikern des Theaters und Gästen sowie einzelne Benefizkonzerte. In der Reihe „PhilMehr! Gute Nachbarschaft“ sollen die Görlitzer Stadtteile, deren Vereine und Initiativen mit klassischer Musik in Kontakt kommen. In „PhilMehr! Schule“ organisieren Schüler selbstständig Konzerte. Es gibt eine Reihe von Galeriekonzerten, die in Kirschau begonnen hat. Und auch das Kulturpicknick auf der Theaterwiese und ein Kultursalon sind Veranstaltungen von „PhilMehr!“.
Dies alles wieder aufzugeben, nachdem der Start so gut gelungen ist, kann sich Vera Tacke nicht vorstellen. Deshalb hat sie beizeiten begonnen, sich die Organisation der Konzerte mit dem Posaunisten Stefan Dedek zu teilen. Er hat vorige Woche den Vereinsvorsitz übernommen und wird nach Vera Tackes Umzug weiterführen, was sie begonnen hat. Außerdem sind einige Profis aus dem (Kultur-) Management in den Vereinsvorstand gewechselt, sodass sich mehr Leute die Arbeit teilen können.
„In den vergangenen Monaten habe ich viele Nachtschichten eingelegt“, sagt Stefan Dedek, der mit seinem Job als Theatermusiker wesentlich weniger Zeit fürs Ehrenamt hat, als Vera Tacke dafür aufwenden konnte. Deshalb wird sich manches ändern. Die Konzertreihen sollen beibehalten und stärker auf die gesamte Region ausgedehnt werden, aber die bisherige Fülle der Veranstaltungen wird nicht mehr möglich sein. „Wir wollen das Profil des Vereins schärfen“, sagt Dedek, „und lieber weniger Veranstaltungen organisieren, dafür aber gut vorbereiten.“ Eines der nächsten Konzerte soll im Rahmen des ViaThea erklingen, das Schloss Tauchritz will der Verein in Zukunft bespielen, und auch Laura Scherwitzls Konzert im Hotel Tuchmacher wird von „PhilMehr!“ organisiert.
Obwohl Vera Tacke weggeht, will sie sich nicht ganz aus Görlitz zurückziehen. Sie schwärmt: „Hier kann man so viel machen, die Menschen sind noch nicht so gesättigt wie in anderen Städten, sondern für vieles offen.“ Solche Möglichkeiten, sich zu engagieren, werde sie in Hamburg vielleicht nicht finden. Aber wenn, dann wolle sie versuchen, eine Kooperation mit Görlitz anzuregen. Stefan Dedek sind zwar Zweifel anzumerken, ob eine Zusammenarbeit über die Entfernung möglich sein wird. Doch Vera Tacke versichert, per Email könne sie von Hamburg aus „PhilMehr!“ gut unterstützen. Und auch persönlich wolle sie hin und wieder in Görlitz sein. Zum Beispiel, um manches Sinfoniekonzert des Theaters mitzuerleben.