Von Reinhard Kärbsch
Das richtige Rezept fürs Altwerden hat Ella Weitzmann auch nicht. Am 10. November dieses Jahres würde sie 94 Jahre alt werden. Sie winkt bei der Frage danach ab. Was sie bei den Ärzten war – und Operation an Operation habe sich im langen Leben anein-andergereiht. „Vielleicht war es die dauernde ärztliche Obhut“, vermutet ihre Tochter, die sie heute betreut. Gewiss habe ihre Willensstärke und ihr Lebenswille dazu beigetragen, ein solch hohes Alter zu erreichen. Darin sind sich Mutter und Tochter einig. „Und alle sind sehr lieb und mir geht es gut“, erklärt Ella Weitzmann. Damit meint sie nicht nur die zwei Töchter samt deren Familienangehörige, sondern auch die Prietizer selbst. Besonders die Älteren würden sich gut kennen. Aber nun kommt sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr zu ihnen. Die Prietitzer Bewohner kennen sie vor allem als selbstständige Schneidermeisterin, die auch Lehrlinge ausbildete. So war das damals noch auf dem Dorf. Die Schwosdorferin hatte 1934 geheiratet und war mit ihren Mann, gleichfalls aus ihren Heimatdorf, in den Ort gezogen.
Maria Müller verschlug nicht die Liebe nach Prietitz, sondern die Kriegsfolgen. Aus Schießnick bei Böhmisch Leipa (heute Ceska Lipa) über Ingolstadt kam sie 1946 mit ihrem Ehemann nach Prietitz. Verwandte waren hier schon untergekommen. Im Schloss fanden die beiden zunächst ein bescheidenes Obdach. „Mit der ersten Tochter Brigitte bekamen wir zwei Räume, mit Renate zogen wir 1953 auf die Gartenstraße 12“, erzählt die 86-Jährige. Bis heute wohnt die Witwe hier. Warum? „Die Prietitzer sind ein sehr hilfsbereiter und freundlicher Menschenschlag“, freut sie sich. Sie sei mit allen immer gut ausgekommen. Sogar die Jugendlichen hätten ihr ganz selbstverständlich die Einkaufstasche getragen, als Einkaufen noch möglich war. Zu dem mobilen Bäcker und dem fliegenden Lebensmittelhändler geht sie selten. „Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß“, untertreibt sie etwas ihre Rüstigkeit. Heute schreibt sie der Tochter Renate, Erzieherin in der Elstraer Kindertagesstätte, nur einen Zettel – und alles wird herbeigeschafft. Aber an den Geselligkeiten, die sich einige Prietitzer regelmäßig für Jung und Alt ausdenken, nimmt sie teil: Prietitzer Seniorentreff zu Weihnachten und das Straßenfest vor der Haustür. „Man muss ja trotzdem in Bewegung bleiben“, sagt Maria Müller. Körperlich und geistig. Für Letzteres hat sie zwei Rezepte: Gespräche und Lesen. Erstere führt sie mit den Lieben, die in der Nähe wohnen beziehungsweise aus Calau kommen, und den Leuten im Ort. Die komplette Familie zählt zehn Köpfe, darunter drei Enkel und zwei Urenkel. Und zur ausgewählten Lektüre gehören unbedingt die Sächsische Zeitung und die Super Illu.