SZ +
Merken

Welch ein Glück, dass sie erhalten blieb

Holger Krause stellt die Renaissance-Decke im Pretiosensaal vor.

Teilen
Folgen

In der Hälfte des Rundgangs durch die Schatzkammer hat der Besucher die Möglichkeit, den Blick von den reich verzierten und schatzbeladenen Wänden auf die Gewölbe wandern zu lassen. Möglicherweise entspannen sich die Augen bei der Betrachtung der einfarbig hellen Stuckdecke. In der wohlproportionierten Gliederung sind acht ovale Relieffelder zu finden, auf denen Szenen aus den Metamorphosen Ovids dargestellt sind. Dem aufmerksamen Betrachter wird nicht entgehen, dass hier an einigen Stellen noch die ursprüngliche Vorzeichnung in Kohle erhalten blieb und die danach angetragenen Reliefe völlig anders ausgeführt wurden. Bemerkenswert ist die Vielzahl von Blüten, die auf den ersten Blick dem Ordnungssystem der Decke entsprechen, auf den zweiten Blick aber jeweils individuell ausgebildet sind. Jede Blüte ist anders. Von den sehr filigran ausgeführten Ungeheuern und Chimären in den Eckzwickelfeldern fehlen hin und wieder Körperteile, die bei der Restaurierung nicht mehr ergänzt werden konnten.

So sehr das barocke Gestaltungskonzept sonst die unterschiedlichen Raumerscheinungen dominiert, in den schon immer repräsentativ genutzten Räumen wie dem Silberzimmer, dem Pretiosensaal und dem stützenlosen Wappenzimmer ist die Renaissance auch heute noch lesbar. Denn die Dimension der Räume und ihre Gewölbe blieben seither unverändert.

Entstanden sind sie unter Moritz, dem ersten sächsischen Kurfürsten. Er ließ einen neuen Westflügel errichten und die Ausmaße der Schlossanlage verdoppelten sich. Der Schlosshof bekam seine heutige Ausprägung. Die repräsentativen nördlichen Räume des Erdgeschosses wurden zeitgemäß verziert. Durch Stuck und Raumbemalung versuchte man schon damals, den großzügigen Charakter der Räume zu steigern. Die Gewölbe des Pretiosensaals führen diese Epoche plastisch vor Augen. Sie wurden 1553/54 durch Antonio Brocco stuckiert, unterstützt durch seinen Bruder, Giovanni da Campione.

Nach dem Zweiten Weltkrieg litt die Decke stark unter dem ruinösen Zustand des Schlosses. Glücklicherweise sind die Gewölbe nicht eingestürzt, die ständige Durchfeuchtung führte aber zu einer schleichenden Zerstörung. 2002 und 2003 wurde der Stuck durch den Stuckateurmeister André Glauche und seine Kollegen behutsam gereinigt, gefestigt und in einer Vielzahl von Einzelschritten konservierend restauriert. So hat die Pretiosensaaldecke ein weiteres Mal überlebt. Denn man kann es heute noch als Glück bezeichnen, dass sie beim barocken Ausbau der Räume unter August dem Starken erhalten blieb. Immerhin war sie damals bereits 175 Jahre alt und entsprechend unmodern. Aber die künstlerische Qualität überzeugte, und alle nachfolgenden Baumeister behandelten das Werk respektvoll.

Diese Serie ist Teil des im September erscheinenden Buches „Die Rückkehr des Dresdner Schlosses“. Bestellbar für 19,90 Euro:01802/30 41 48

www.editionSZ.de