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Wenn das Amt mauert

Vor elf Jahren beschloss der Kreistag, eine Stützmauer zu erneuern. Passiert ist nichts. Das sollen jetzt die Eigentümer des Grundstückes machen.

Von Jürgen Müller
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Bernd Hoffmann an der Mauer, die sein Grundstück und die Kreisstraße in Lossen trennt. Die Mauer ist schon vor Jahren eingebrochen, der Landkreis wollte sie sanieren. Doch jetzt schiebt er Kosten und Verantwortung auf die Grundstückseigentümer ab.
Bernd Hoffmann an der Mauer, die sein Grundstück und die Kreisstraße in Lossen trennt. Die Mauer ist schon vor Jahren eingebrochen, der Landkreis wollte sie sanieren. Doch jetzt schiebt er Kosten und Verantwortung auf die Grundstückseigentümer ab. © Claudia Hübschmann

Lossen/Meißen. In der Mauer ist ein Loch. Im Gegensatz zur Berliner Mauer haben es aber nicht Mauerspechte verursacht. Die Mauer in Lossen ist einfach aus Altersschwäche eingestürzt. Auf einer Länge von rund vier Metern ist sie abgebröckelt. 

Mitten auf die Kreisstraße 8077, die sie eigentlich schützen soll. Der Landkreis hat den Haufen Schutt einfach auf der Straße liegen lassen. Erst als die Anlieger, die Familie Hoffmann, intervenierten, wurde der Haufen weggeräumt. 2010 war das. Das Loch ist bis heute geblieben. 

Zwei Jahre zuvor hatte der Kreistag Meißen einen Beschluss gefasst, dass mehrere derartige Stützmauern im Kreis Meißen saniert werden. Auch die Lossener Mauer an der Landstraße 7 war dabei. Passiert ist in den mehr als zehn Jahren, außer intensivem Schriftverkehr, aber bisher nichts. Na ja, fast nichts. Immerhin hat der Landkreis für die beiden Mauern in Lossen ein Leistungsverzeichnis als Grundlage für eine Ausschreibung erstellen lassen.

Amt: Mauer nutzt dem Grundstück

Eine andere Stützmauer, An der Landstraße 14, in Lossen wurde 2004 saniert. Auch diese drohte auf die Kreisstraße zu stürzen. Hier hatte eine Scheune, die auf einem privaten Grundstück steht, schon Risse, weil sich der Boden senkte. Die Scheune wurde gesichert, die Mauer erneuert. 

Die Kosten dafür trug der Landkreis. Doch bei Hoffmanns ist bis heute nichts passiert. Mittlerweile weigert sich der Landkreis, die Mauer zu erneuern. Das sollen die Hoffmanns gefälligst selbst tun. Schließlich seien sie ja die Grundstückseigentümer. Anwohner Michael Hoffmann schätzt die Kosten auf 120 000 bis 130 000 Euro. 

Er ist empört: „Die Stützmauer wurde ganz einfach den Anwohnern zugeordnet, damit der Kreis die Sanierung nicht finanzieren muss. Der Landkreis will seine Bürger finanziell ruinieren“, sagt er. Seit längerer Zeit gibt es einen Briefwechsel mit dem Kreisstraßenbauamt und den Anwohnern.

Die Behörde stellt jetzt plötzlich infrage, ob die Stützmauer überhaupt Bestandteil der Straße ist. Eine Mauer sei als Straßenbestandteil zu werten, wenn sie beim Anlegen oder Ändern der Straße erforderlich sei und wenn sie überwiegend dem Schutz der Straße diene.

 Kein Straßenbestandteil sei die Mauer, wenn sie zur Ausbildung einer Terrasse errichtet wurde, um das angrenzende Gelände besser nutzen zu können. Davon sei hier auszugehen. Nach einer Ortsbesichtigung am 17. Januar dieses Jahres ohne den Anlieger dürfe nach wie vor davon auszugehen sein, dass hier der Nutzen des Grundstückseigentümers überwiege, da er eine größere und gut zu bewirtschaftende Fläche durch die Abstützung erhalte, heißt es aus dem Antwortschreiben des Kreisstraßenbauamtes. 

Michael Hoffmann kann darüber nicht mal lachen. „Sehen Sie sich das mal hier an. Der steile Hang ist überhaupt nicht nutzbar. Selbst das Rasenmähen auf diesem abschüssigen Gelände ist jedes Mal eine Herausforderung“, sagt er.

Doch Amtsleiterin Otto bleibt dabei. „Für die Anlage der Straße oder deren Änderung sei die Stützmauer nicht erforderlich, da sie kein Straßenbestandteil sei. Die Straßenbaulast falle deshalb nicht auf den Landkreis. 

„Diese Trockenmauer wurde vor rund 200 Jahren gebaut. Damals fuhren hier noch Pferdefuhrwerke, heute rauschen 40-Tonner und die Busse durch den Ort. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch der Rest der Mauer einstürzt“, sagt Michael Hoffmann, der Grundstückseigentümer.

 Dem Kreisstraßenbauamt wirft er vor, das Problem seit 18 Jahren durch Passivität lösen zu wollen. Denn schon 2001 hatte sich sein Vater Bernd Hoffmann an das Kreisstraßenbauamt Meißen gewandt, um auf den desolaten Zustand der örtlichen Trockenmauern hinzuweisen. 

Nach einer gemeinsamen Ortsbesichtigung im gleichen Jahr wurden die desolaten Mauern in die Objektliste des Landkreises aufgenommen, das Gelände vermessen und ein Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der Bauleistungen erarbeitet.

Politik nach Kassenlage

Plötzlich fühlt sich der Landkreis nicht mehr zuständig. Hoffmann verlangt Gleichbehandlung, doch dazu äußert sich das Amt einfach nicht. „Wieso kann sich eine Amtsleiterin einfach so über einen Beschluss des Kreistages hinwegsetzen?“, fragt er. 

Zumindest darauf hat er eine Antwort bekommen. Dann müsse man den Kreistagsbeschluss aus dem Jahr 2008 eben verwaltungsseitig prüfen und gegebenenfalls wieder aufheben, schreibt Otto. Hoffmann ist empört: „Die machen Politik nach Kassenlage.“

Die Sache sei kompliziert, sagt Kerstin Thöns, die Pressesprecherin des Landratsamtes Meißen. Der Beschluss zur Übernahme der Sanierungskosten der Stützmauer sei vor der Fusion der beiden Altkreise Meißen und Riesa-Großenhain gefasst worden, denn es gehörte zur Auffassung des Straßenbaulastträgers – Meißen/Dresden – dass alle Stützmauern entlang einer Straße mit öffentlichen Geldern saniert werden, wenn Sanierung notwendig ist.

 „Es spielte dabei zunächst keine Rolle, wem diese Mauer zugeordnet ist – dem Schutz der Straße oder einem privaten Grundstückseigentümer. Mit der Fusion änderte sich analog der Rechtslage diese Auffassung. Seither werden nur jene Stützmauern öffentlich finanziert, die dem ausschließlichen Schutz der Straße dienen“, so Kerstin Thöns. 

Mit Herrn Hoffmann habe es dazu bereits 2014 ein Gespräch gegeben. Er beharre auf den Beschluss des Kreistages 2008 und der damit verknüpften Zusage, dass der Landkreis die Sanierung finanziert. Es werde nun nochmals eine rechtliche Abwägung zwischen den beiden Straßenbaulastträgern - des alten und des neuen Landkreises - geben, mit dem Ziel, die Rechtssicherheit wiederholt zu prüfen.

Ein Gespräch mit ihm habe es 2014 nicht gegeben, sagt Michael Hoffmann. Er fragt sich, warum bei der Fusion des Altkreises Meißen mit Riesa-Großenhain eine Kehrtwende zum Inhalt des sächsischen Straßengesetzes stattgefunden haben soll.

 „Das bleibt für die Öffentlichkeit und auch für die Betroffenen nicht nachvollziehbar. Auf jeden Fall zum Nachteil der ehemals geplanten Objekte und deren Grundstückseigentümer im Altkreis Meißen. Das ist nun Teil der praktischen Politik gegen den ländlichen Raum und deren Anlieger im neuen Großkreis“, so Hoffmann.

Die Hoffmanns geben nicht auf. Sie wollen sich jetzt an die Landesregierung wenden und möglicherweise auch den Klageweg beschreiten. „Im Interesse der Landbevölkerung kann ich nur hoffen, dass dieser Antrag, den eigenen Beschluss wieder aufzuheben, keine Mehrheit im Kreistag findet“, so Hoffmann.

Noch vertraue er den gefassten Beschlüssen der Volksvertreter. „Das Gerede von der Stärkung des ländlichen Raumes nach der Schlappe der CDU bei der letzten Bundestagswahl, ist jedenfalls das Papier nicht wert, auf dem das geschrieben steht, wenn derart gegen die Interessen der Bevölkerung und gegen eigene Beschlüsse gehandelt wird“, sagt Michale Hoffmann.