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Wenn das Fest zur Familienfalle wird

Weihnachtsstress. Was tun, wenn sich der Friede zum Fest in der Familie partout nicht einstellen will? Eine Therapeutin gibt Verhaltenstipps.Wenn jeder mit sich selbst in Frieden ist – das ist Weihnachten. Doch wer macht dann den Abwasch?“

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Von Synnöve Steinert

Bei Familie Meyer herrscht schon lange Vorfreude, weil alle zum Fest wieder beisammen sind. Die älteste Tochter arbeitet in München und ist wie ihr Bruder, der einen Ausbildungsplatz in Baden-Württemberg gefunden hat, nur selten daheim.

Aber dann ist es wie immer

Aber dann ist es wie immer. Zwischen Mutter und Tochter ist eine Spannung, die sich beide nicht erklären können. Der Sohn, der verschuldet ist, hatte auf Geldscheine gehofft. Aber die Socken bestanden innen und außen nur aus Wolle. Und das Nesthäkchen, das dritte Kind, darf wieder alles und regiert die Familie, was die älteren Geschwister ärgert. Die Mutter empfindet das Geschenk ihres Mannes als einfalls- und lieblos. Doch sie verkneift sich ihren Ärger. Der Vater hat sich auf ruhige Stunden gefreut. Als er eine gereizte Antwort seiner Frau erhält, denkt er: Was hast du nun schon wieder falsch gemacht?

Unausgesprochenes gärt

Natürlich steht der Besuch der Großeltern noch an und jeder weiß, worüber dann geredet wird und was kein Thema sein darf. Die Tage sind durch die Mahlzeiten bestimmt, der Fernseher unterhält die Familie. Alle Jahre wieder Oh du fröhliche? Unausgesprochener Ärger, nicht gesagte Wünsche und Erwartungen erzeugen Spannung und Frust. Aber es liegt an jedem Einzelnen, es wirklich nur zu Silvester krachen zu lassen, sich statt dessen der eigenen Bedürfnisse bewusst zu sein, sie auch mitzuteilen.

Nur von den Augen ablesen?

Viele Menschen erwarten, dass ihnen die anderen die Wünsche von den Augen ablesen, oder dass sie`s doch merken müssten, wenn man sich zurückzieht oder schweigt. Oft fällt es leichter, für andere einzutreten, als sich eigene Bedürfnisse zuzugestehen. Da ärgert sich die Frau, dass sie den ganzen Tag in der Küche steht, das Essen in sieben Minuten verspeist ist und sie sich doch eigentlich auch einmal an den gedeckten Tisch setzen will. Wenn jemand sich für die anderen opfert, ist etwas nicht im Gleichgewicht.

Was kann denn Familie Meyer nun bloß tun? Die Aufgaben, zum Beispiel rund um die Essenszubereitung, gut verteilen, dass alle auch die Chance auf ruhige Stunden haben.

Der Volksmund sagt: Fisch und Besuch stinken nach drei Tagen. Man sollte ein ausgewogenes Maß von Miteinander und Alleinsein schaffen. Eigene Bedürfnisse kann sich jeder zugestehen und offen ansprechen. Je ehrlicher wir uns selbst gegenüber sind, umso entspannter ist die gesamte Familienatmosphäre.

Dem Fernseher Ruhe gönnen

Dem Fernseher sollten die Meyers etwas Ruhe gönnen und sich lieber miteinander unterhalten. Viel wichtiger ist es doch, dass die Familienmitglieder echtes Interesse aneinander spüren und sich auch gegenseitig zeigen. Eine gute Familie muss nicht den ganzen Tag gemeinsam mit den Kindern spielen und gestalten. Mir persönlich gefällt ein Heim, in dem Essensgerüche aus der Küche kommen, Susi in ihr neues Malbuch vertieft ist, Vater und Paul die Eisenbahn kreisen lassen und auf Omas Schoß die Katze schnurrt. Wenn jeder mit sich selbst in Frieden ist – das ist Weihnachten. Doch die Frage bleibt: Wer macht dann den Abwasch?

Synnöve Steinert ist Diplom-Sozialpädagogin mit eigener psychotherapeutischer Praxis in Großenhain. Sie ist vielen auch als Märchen-Erzählerin bekannt.