Von Katja Schlenker
In Wiesa wird es eng. Seit dem Pfingstwochenende ist die Tunnelröhre durch die Königshainer Berge in Richtung Polen wegen eines schweren Unfalls gesperrt. Doch nicht nur Kodersdorf an der Bundesstraße B 115 leidet unter dem zusätzlichen Verkehr, dem Lärm und den Abgasen. Auch die kleinen Orte abseits der Bundes- und Staatsstraßen müssen mit dem Mehr an Lkw, Transportern und Pkw klarkommen. Denn auf der Suche nach einer Abkürzung zeigt das Navigationsgerät den Fahrern oft den Weg über Thiemendorf und Wiesa an. Die Strecke ist zirka fünf Kilometer kürzer als die Umleitung über die Jänkendorfer Kreuzung in Niesky.

Allerdings sind die Straßen zwischen Thiemendorf und Wiesa auch schmaler, nicht für schwere Transporter und Lkw gedacht. Immer wieder kommen mehrere Fahrzeuge im Pulk angefahren. Wenn ihnen jemand entgegenkommt, muss einer auf den Seitenstreifen ausweichen. Selbst dann bleibt nicht viel Platz. Ebenso ist das Bild in Wiesa. Die Straßen sind schmal, die Autos schnell unterwegs. Fußwege, auf die sich die Anwohner retten können, wenn es eng wird, gibt es nicht. „Die erste Woche mit unendlich vielen rasenden Pkw, polnischen und russischen Transportern, Lkw und sogar Reisebussen hat uns Anwohner geschafft“, sagt Ina Gerlach aus Wiesa. Der etwas mehr als 300 Einwohner zählende Ort gehört zur Gemeinde Kodersdorf.
Während wir auf der Hauptstraße stehen, kommen immer wieder Transporter und Autos vorbeigefahren. Die meisten haben fremde Kennzeichen, kommen aus Polen, den Niederlanden oder anderen Bundesländern Deutschlands. Wie sie sich nach Wiesa verirrt haben, ist die Frage. Vermutlich folgen sie der netten Stimme ihres Navigationsgerätes. Die Einwohner beobachten die vielen Fahrzeuge mit Sorge – auch wegen ihrer Kinder. Jeden Tag fahren die Kinder mit dem Fahrrad die drei Kilometer bis zum Nachbarort Kodersdorf. Dort gehen sie zur Schule. An der Stelle, wo die Bundesstraße B 115 einen Knick macht, müssen sie über die Straße. „Derzeit sind die Wiesenränder entlang der Straße schon sehr hoch“, sagt Ina Gerlach. „Dadurch werden Radfahrer auch erst sehr spät erkannt.“ Doch selbst die Kinder, die mit dem Bus fahren, sind nicht unbedingt sicher. Der Bus fährt von Niesky aus über Jänkendorf, Nieder Seifersdorf, Thiemendorf und Wiesa nach Kodersdorf. Die Kinder steigen an der Bushaltestelle gegenüber dem Gemeindeamt aus und müssen dort an der „Alten Apotheke“ über die Bundesstraße B 115, um zur Mittelschule zu laufen.
Wo sind die 30 km/h hin?
Zu Hause zurück haben die Kinder nur wenig Ruhe, um Hausaufgaben zu machen. Vor allem der Lärm ist für die Anwohner schlimm. Der Verkehr rollt immer weiter durch den Ort. Selbst nachts. „Freitagnacht um 23 Uhr haben Anwohner versucht, die Straße kurz hinter der Bushaltestelle in Wiesa zu überqueren“, erzählt Ina Gerlach. „Das war erst möglich, nachdem 25 Fahrzeuge durch waren – und das kurz vor Mitternacht.“ Auch das Mauerwerk der Häuser entlang der Strecke knackt mit jedem Auto, das über die kaputte Straße fährt. Die Gullideckel wummern, die Straße ist mehrfach quer gebrochen.
Früher hat es im Ortszentrum eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 Kilometern pro Stunde gegeben. Die Wiesaer sehnen das Schild zurück. Nachdem die Straße vor einigen Jahren gebaut worden ist, dürfen Autofahrer dort 50 fahren. Das liegt daran, dass es sich um eine Kreisstraße handelt – und da wird 50 gefahren.
Eine Hoffnung für die Wiesaer ist eine zweite Umleitung. Die führt durch Weißenberg über die Bundesstraße B 6 zur nächsten Autobahnauffahrt in Görlitz. In der Tat scheint es gestern an der Jänkendorfer Kreuzung in Niesky und auf der Bundesstraße B 115 ruhiger zu sein als in den vergangenen Tagen. Weniger Lkw sind unterwegs. Vorige Woche hat sich noch ein Lkw am nächsten über die Bundesstraße B 115 gequält – oft nur im Schritttempo. In Wiesa bleibt die Situation dennoch prekär. Dort ist von der Entspannung beim Verkehr kaum etwas zu spüren.
Auch Landrat Bernd Lange (CDU) ist klar, dass die Umleitung, wie sie momentan besteht, keine Dauerlösung ist, wie Sprecherin Gerlind Walter am Montag mitteilt. Wirksame und schnelle Schritte, um den Umleitungsverkehr während der Tunnelsperrung zu regeln, fordert er. Lkw müssten bereits in Weißenberg von der Autobahn A 4 abfahren und über die Bundesstraße B 6 zur nächsten Auffahrt fahren. Pkw hingegen sollen über die Abfahrt in Nieder Seifersdorf ausweichen. Zudem hat der Landrat harsche Kritik am Wirtschaftsministerium geübt. Es habe noch nichts unternommen, keine Schilder aufgestellt.
Sprecherin Isabel Siebert vom zuständigen Landesamt für Straßenbau und Verkehr hingegen teilt am Montag mit, dass „die Umleitungsbeschilderung voll aktiv und ausgeschildert ist.“ Folglich gibt es jetzt eine Umleitung von Weißenberg nach Görlitz zur Autobahn, und eine von Nieder Seifersdorf nach Kodersdorf. Außerdem will sich das Landesamt für Straßenbau und Verkehr auch um die Problematik mit den Kindern kümmern, die von Wiesa nach Kodersdorf zur Schule müssen. „Die Schulwegsicherheit muss sichergestellt sein“, erklärt Isabel Siebert.
Stimmen die Schilder?
Des Weiteren soll ein Gespräch mit den Beteiligten Klarheit schaffen. Noch in dieser Woche soll alles besprochen werden. Um die Interessen der Gemeinde zu vertreten, wird auch Kodersdorfs Bürgermeister René Schöne (CDU) daran teilnehmen. „Wir müssen sehen, welche Möglichkeiten es für die betroffenen Gemeinden gibt, und Lösungen finden“, sagt er.
Unter anderem soll in den Ortsteilen geschaut werden, ob die Beschilderung stimmt, auch verstärkte Kontrollen wären eine Option. Jedoch schränkt der Bürgermeister ein: „So ungünstig die Situation zurzeit ist, können wir nur Linderungsmaßnahmen einleiten und die Situation nicht so herstellen, wie wenn der Tunnel voll funktionsfähig ist.“
Bis Ende des Jahres soll der Tunnel laut Landesamt für Straßenbau und Verkehr gesperrt bleiben. Zu schwerwiegend sind die Schäden nach dem Unfall am Pfingstwochenende. Damals ist ein Lkw in der Röhre in Richtung Polen in Brand geraten und völlig ausgebrannt.