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Wenn das Wetter verrücktspielt

Das Wetter ist den Leuten seit jeher ein großes Thema. Vor allem dann, wenn es uns zum unpassenden Zeitpunkt überrascht.

Von Heinz Fiedler
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Die Wilischbaude wurde 1933 bei einem Unwetter schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Die Wilischbaude wurde 1933 bei einem Unwetter schwer in Mitleidenschaft gezogen. © Archiv

Die uralten Bauernweisheiten geraten mehr und mehr aus der Mode. Jüngstes Beispiel: Der eben verflossene April. Von ihm hieß es früher „April, April! Der weiß nicht was er will!“. Dieses Mal war er eigensinnig und keck genug, dem nachfolgenden Mai die Show zu stehlen. Er ließ die Sonne Überstunden machen und gestattete dem Regengott lediglich einige lächerliche Spritzer, was vor allem der Landwirtschaft Kummer bereitete. Über den aktuellen Mai wollen wir mal noch kein Urteil fällen. Der Auftakt war allerdings eher aprilhaft.

Absurde Wetterspiele sind natürlich keine Erfindung unserer Tage. Sie verärgerten schon längst dahin geschiedene Generationen, und sie werden mit Sicherheit auch jene plagen, die nach uns kommen.

Im Radio ließt sich kürzlich ein offensichtlich gut informierter Herr über Wetterpurzelbäume aus und beendete seine Darlegungen mit der Frage: „Ist es wirklich wünschenswert Monate lang mit Sonne pur zu leben?“ Die Antwort, die er dazu anbot, scheint mir zumindest bedenkenswert. Sein Ratschlag: „Alles in Maßen! Das halte ich für das Beste.“.

Wenden wir uns der Vergangenheit zu, die Anno 1842 unserer Gegend einen fragwürdigen Wetterrekord bescherte. 

Siebzehn Wochen hochsommerlich

Wer vor 178 Jahren die Dauerhitze im Weißeritztal miterlebte, der konnte Klärchen nicht mehr ersehen. Siebzehn Wochen lang, von April bis August, fiel kein Tropfen Regen. Pausenlos hochsommerliche Glut von mehr als 30 Grad. Vielen Bauern drohte der Ruin, an eine halbwegs normale Ernte war nicht zu denken. Halm- und Hackfrüchte verkümmerten, angelegte Futterreserven gingen vor der Zeit zur Neige. Um nicht alles einzubüßen, blieb den Landwirten keine andere Wahl, als Vieh zu Billigpreisen zu veräußern.

Die Weißeritz glich einem armseligen Rinnsal, fast kein Bach führte noch Wasser, kein Mühlenrad drehte sich mehr. Das führte zu einer bedrohlichen Situation. Damals existierte im sächsischen Raum nur eine einzige Dampfmühle, die sich bei Trockenperioden als überfordert erwies. Mehl wurde zur Mangelware. Apathisch dösten die Menschen in den Tag. 

Inmitten der Hitzewelle riss eine geheimnisvolle Erscheinung die Leute aus ihrer Lethargie. Die Sonne hatte sich mit einem hellen, farbigen Kreis, ähnlich einem Regenbogen umkränzt. Selbst ernsthafte Wissenschaftler fanden für das himmlische Schauspiel keine stichhaltige Erklärung. In den heimischen Dörfern hieß es, es könnte sich nur um ein Wunder handeln, das hoffentlich Gutes verheiße.

Als schon keiner mehr mit Niederschlägen und Abkühlung rechnete, öffnete der Himmel in der zweiten Augusthälfte seine Schleusen. Heftiger Regen prasselte tagelang. Die Bauern atmeten auf – unter diesen Umständen ließe sich vielleicht noch ein Teil der Kartoffelernte retten. Innerhalb weniger Stunden sackten die Temperaturen von 34 auf 18 Grad ab. In Hainsberg war ein Toter zu beklagen - ein betagter Familienvater, der an Altersschwäche starb.  

Wilisch im Sturm

Ein weiteres unheilvolles Wetter-Kapitel wird in der fünfen Nachmittagsstunde des 29. Juli 1933 eingestimmt. Aus Richtung Süd peitscht heftiger Sturm eine düstere Wolkenwand auf das Wilischgebiet zu. Nachtschwarze Finsternis breitet sich aus. Extrem starke Gewitter entladen sich. Hagelschlag trommelt auf die Dächer von Kreischaer Häusern. Mächtige Bäume knicken wie Streichhölzer um.

Ein Wilischwanderer erlebt das Unwetter mitten im Grün des Berges. Seine Schilderung: „Der Sturm kam aus der Gegend von Reichstädt. Furcht befiel mich, als ich einen ganz nah umstürzenden Baum sah. Auf Lichtungen und Schneisen türmten sich wirr durcheinanderliegende Stämme und Äste. Man konnte sich kaum noch einen begehbaren Weg bahnen. Das Ehrenmal auf dem Wilischgipfel mit Steinkugel und vergoldetem Kreuz, schleuderte der Sturm in die Tiefen des Steinbruches. Es war wie ein Weltuntergang …“

Die Wilischbaude wird schwer in Mitleidenschaft gezogen. Dachbalken und Gartenmöbel fliegen wie Spielzeug durch die Luft. Eine entwurzelte riesige Lärche stürzt auf das Wasserhaus der Baude und macht das Gebäude dem Erdboden gleich.

Trostlos der Anblick der Wälder. Allein im Gebiet des Lungkwitzer Stiftwaldes wird der Schaden auf 2.000 Festmeter verwüstetes Holz taxiert. Achtzig Prozent der Obsternte im Kreischaer Land fällt dem Hagelschlag zum Opfer. In Reinhardtsgrimma und Hirschbach werden die Verluste bei Hafer und Gerste mit 75 Prozent angegeben.

Vieles bleibt unbekannt

Verheerende Unwetter tobten auch in längst verflossenen Zeiten. Doch viele der Katastrophen vor Jahr und Tag werden der Nachwelt nicht übermittelt. Kein Chronist bringt sie zu Papier. Heimatforscher Leßke hat sich wiederholt um Fakten aus ferner Zeit bemüht und stieß bis zum Jahr 1540 vor. Damals herrschte eine so große Hitze, dass sich der Tharandter Wald von selbst entzündete.

Neben Dürreperioden, Hagel und Sturm kam es fast regelmäßig zu Hochwasser. Das Jüngste von 2002 könnte bis jetzt das heftigste gewesen sein. Das Weißeritztal schien in den Wassermassen zu versinken. Wir haben es bis heute nicht vergessen.