Wenn der ABV Witze macht

Die Volkspolizei-Uniform muss echte Qualitätsarbeit sein. Sie wurde schon zigmal gereinigt und hat trotzdem noch ihre Farbe. Einst gehörte sie einem echten Volkspolizisten. Mit ihm und der Uniform hat alles angefangen. Seit über zehn Jahren tourt Mario Kaulfers mit seiner DDR-Comedy-Show durch die Republik, vor allem Ostdeutschland. Meistens mit dabei ist seine Frau. „Als wir angefangen haben, hat uns jemand von einer Agentur gesagt: Das macht ihr drei Jahre, nicht länger.“ Aber alleine am Sonnabend hatte Kaulfers sechs Shows in Berlin, Leipzig, Chemnitz, Zittau bis ein Uhr morgens am Sonntag.
Im Herbst jährt sich der Mauerfall zum 30. Mal. „Die Leute vergleichen noch immer“, so erklärt sich Mario Kaulfers, warum DDR-Witze nach so langer Zeit so gut laufen „Es fängt damit an, dass manche immer noch in der Kaufhalle gehen.“ Oder dass sie bei den aktuellen Diskussionen über die Gesamtschule oder über die Abschaffung der Kita-Beiträge denken: Das hatten wir doch früher schon. Gerade bei sozialen Aspekten würden die Menschen heute noch viel vergleichen, sagt Kaulfers, „und beim Zwischenmenschlichen, da hatten wir damals eben auch viel Positives“. Zum einen tritt er in kleineren Runden wie bei Geburtstagen auf, zum anderen zu größeren Runden, dem DDR-Comedy-Dinner.
Mario Kaulfers stammt aus Görlitz – und hatte schon viele Berufe. In Cottbus machte er seine Ausbildung zum Textilmaschinenmechaniker, fing danach in Görlitz beim VEB Volltuch an. Dort habe es ihm nicht gefallen, „diese veralteten Maschinen ... Ich wollte mich damals umorientieren.“ Sein Traum war es, Radiomoderator zu werden. Dafür hatte Kaulfers 1983 auch die Prüfung zum „Schallplattenunterhalter“ abgelegt. Beim VEB Volltuch blieb er derweil nicht lange, er wurde zum Wehrdienst eingezogen. „Danach habe ich bei der damaligen Volksschwimmhalle in Görlitz gearbeitet.“ Und dann kam die Wende für ihn. Kaulers baute in Kaltwasser die Disko ’84 auf, parallel dazu den Kinderspielpark. 2001 wurde die Nutzung des Kulturhauses untersagt, weil sich das Dachtragwerk gesenkt hatte. Und ohne die Disko konnte er den Kinderspielpark nicht halten, erzählt er. „Ich bin damals in ein richtiges Loch gefallen.“ Dem Spielpark, den er verkaufte, blieb er zwar verbunden, machte beruflich aber anders weiter: Er fuhr für verschiedene Firmen mit großen Messe- und Eventtrucks durch ganz Europa.
Vor reichlich zehn Jahren, zu Silvester, pausierte er in Zwickau. Den Truck der Firma, für die er damals fuhr, stellte Mario Kaulfers in einer Garage ab. Der Nachbar dort war ehemaliger Volkspolizist. Er bat Kaulfers, mal seine alte Uniform anzuprobieren. Zum Spaß, ihm selbst passte sie nicht mehr. In dem Aufzug gingen sie zu einer Silvesterveranstaltung, stellten „Ein Kessel Buntes“ nach. Das sei, obwohl nur improvisiert, so gut gelaufen, dass Kaulfers die DDR-Comedy-Show daraus machte.
Es ist weniger Politsatire, mehr kleine Episoden aus dem Alltag in der DDR: Wenn es zum Beispiel darum geht, bei einer imaginären Verkehrskontrolle einen imaginären Trabi zu starten, „dann rufen garantiert mehrere Leute im Publikum: ‚Benzinhahn‘.“ Den zu öffnen, war der erste Schritt. Oft reißt Kaulfers für seine Witze Themen, Situationen oder Gegebenheiten an, die jeder kannte, aus heutiger Sicht aber absurd anmuten. Wie die Schlangen an der Kasse, wenn es Radeberger Bier zu kaufen gab – in streng begrenzter Flaschenzahl. „Ich sehe, wie die Leute tuscheln, sich erinnern, ‚Ja, stimmt, so war das’“ Eine Zeitreise soll es sein. Witz an Witz, vom sozialistischen Parteisprecher über Telelotto bis zum unverkennbaren Klang der Kaffeemühle von AKA Elektric, „immer alles mit einem Augenzwinkern“, sagt Kaulfers.
Dennoch gibt es unterschiedliche Meinungen über seine Show: zu wenig Substanz an mancher Stelle, zu viel Klischee an anderer. Zu wenig Achtung für Details. Die Schulterstücke eines Polizeimeisters bei der Unform passen zum Beispiel nicht zum silbernen Mützenband eines Polizeioffiziers, erzählt ein ehemaliger Volkspolizist. Andererseits, schaut man sich im Internet Videos von Kaulfers Auftritten an: Die Menschen im Publikum lachen viel. Bis zu 350 Shows macht er mittlerweile im Jahr. Es sei eine Gratwanderung, sagt er, nicht zu verklären, und auf der anderen Seite das Leben in der DDR nicht niederzumachen oder ins Lächerliche zu ziehen. Aber es wirkt schwierig: Wie Witze machen über ein System mit solchen Gegensätzen? Er selbst habe unter dem System der DDR nicht gelitten. Andere schon. Und gerade bei den größeren Shows kann er nicht wissen, wer im Publikum sitzt. "Wir werden deshalb mit den Witzen nie persönlich."