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Wenn der Großvater 37 Lose kauft

Historie. Seit 1998 gibt es die tägliche Rubrik „Rödertalchronik“ in der Radeberger SZ. Jetzt ist die mittlerweile 2 500. erschienen.

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Von Jens Fritzsche

Radeberg. Es sind oft die kleinen Dinge, die große Zusammenhänge leichter verständlich machen. Diese alltäglichen Dinge sind es auch, die uns heute einen interessanten Einblick in den Alltag längst vergangener Tage gestatten. Und so hat sich der in Langebrück wohnende Regionalhistoriker Hans-Werner Gebauer in seiner Arbeit über die Geschichte des Radeberger Landes immer wieder auch gerade solcher „Kleinigkeiten“ angenommen. Vieles davon ist seit dem 4. Mai 1998 auch täglich in der Radeberger SZ zu lesen. Denn seit diesem Tag erscheint täglich eine kleine, aber durchaus viel beachtete Rubrik: die Rödertalchronik, verfasst von Hans-Werner Gebauer. Eine Rubrik, die dieser Tage immerhin zum 2 500. Mal erschien. Und so hatte Hans-Werner Gebauer Mittwochabend in die Radeberger Gaststätte „Zur Quelle“ eingeladen, um gemeinsam mit zahlreichen Geschichts-Freunden aus dem gesamten Rödertal auf das Jubiläum anzustoßen, aber auch, um über den Sinn und die Wichtigkeit von Geschichtsforschung im Rödertal zu diskutieren.

Und Gebauer scheute sich dabei auch nicht, Anekdoten aus seiner eigenen Familie zu erzählen. Zum Beispiel, dass sein Großvater Emil aus Seifersdorf Anfang des 20. Jahrhunderts extra zu einem Volksfest nach Radeberg gefahren war, weil es bei der dortigen Tombola ein Service aus Meißner Porzellan zu gewinnen gab. „Immerhin 50 Pfennige kostete ein solches Los, viel Geld für damalige Verhältnisse“, erzählte er. Großvater Emil Gebauer hatte lange ausgeharrt, „und als schließlich nur noch 37 Lose im Topf waren, das Service aber immer noch nicht vergeben, kaufte er alle Lose – und war sich nun also sicher, das Service zu gewinnen“, berichtet Gebauer schmunzelnd. Allerdings hatte dieser Kauf für reichlich Tränen bei einem kleinen Jungen gesorgt, der unbedingt hatte auch ein Los kaufen wollen. „Großherzig wie er war, schenkte er dem Kleinen eines der Lose.“ Es kam, wie es kommen muss: Ausgerechnet dieses Los war es natürlich, mit dem das Meißner Service zu gewinnen war. „Mein Vater, der das Ganze als Kind miterlebte, erzählte dann, dass der Großvater auf dem Rückweg zum Bahnhof sämtliche anderen Gewinne in die Röder geworfen hatte, damit Großmutter nichts von dieser Geschichte erfahren sollte…“ Und tatsächlich, genau solche Anekdoten sind es wohl, die ein Bild von vergangenen Zeiten malen helfen.

Rathäuser mehr gefordert

„Was aber tun zum Beispiel heutige Stadt-Verwaltungen, um es Geschichtsforschern in gut 30 Jahren mal zu ermöglichen, etwas über heutiges Geschehen zu erfahren?“, fragte dann Bernhard Greve in die Runde, der sich seit Jahren unter anderem um die alljährlich erscheinenden „Radeberger Blätter“ müht. Und Hans-Werner Gebauer machte seinem Herzen zum Beispiel mit Blick auf den Umgang mit Verwaltungs-Akten aus DDR-Zeiten Luft: „Aus Historiker-Sicht hat sich nach der Wende in vielen Verwaltungen eine regelrechte Kulturbarbarei abgespielt; wahllos sind Akten vernichtet worden.“ Um so wichtiger, findet Gebauer, sei es nun, die Geschichten von Zeitzeugen vor dem Vergessen zu bewahren. Als lebendige Bilder sozusagen vom alltäglichen Leben.

Übrigens hat sich Hans-Werner Gebauer vorgenommen, „mindestens bis zur 3 000. Rödertalchronik weiter zu machen!“