Von Wolfgang Klaus
Als der Autor in den Ansetzungen des Riesaer Strafrichters von einer Anklage wegen „Missbrauchs von Titeln“ las, fiel ihm gleich der falsche Chefarzt von Zschadraß ein. Doch so schlimm wie dieses Ding da vor Jahren wurde die Geschichte hier nicht. Dabei ist sie schon ein übles Beispiel dafür, was sich in manchen Familien so abspielt. Mit Rücksicht auf die Beteiligten sollen deshalb weder Namen noch Orte genannt werden.
Jedenfalls bekam die ältere Generation der Familie einen Anruf von der Nichte mit üblen Beschimpfungen wegen der Beerdigung der Oma. Der Mann rief darauf zurück, um die Vorwürfe zu klären. Wie er vor Gericht sagte, habe sich da am anderen Ende der Leitung ein „Hauptwachtmeister Meierhofer“ gemeldet. Der sei gerade wegen einer Anzeige bei jener Nichte. An der markanten Stimme des falschen Polizisten habe er den Lebensgefährten der Nichte eindeutig erkannt. Schließlich spreche der nicht wie ein Sachse.
Das brachte nun diesem 40-Jährigen besagte Anklage ein. Dabei kann man ihm bei allem Ernst der Sache einen gewissen Sinn für Humor nicht absprechen, sich mit einem bayerischen Namen zu nennen. Doch er hatte wohl nicht bedacht, dass es im Riesaer Polizeirevier keinen Beamten dieses Namens geben würde. Und vor allem, dass auch kaum ein Polizist wegen einer Familienanzeige abends nach 21 Uhr zu Bürgern geht, und das auch noch an einem Sonnabend.
Der Beklagte stritt die Sache jedenfalls von vornherein ab. Er habe einen solchen Anruf als Polizist niemals getätigt. Die Nichte hatte ihren Anruf vor Gericht bestätigt. Sie habe aber bei aller Aufregung und Trauer um den Tod der geliebten Oma nichts von dem besagten Anruf ihres Lebensgefährten mitgekriegt.
Strafrichter Jens Heinrich und die Staatsanwältin waren jedoch von der Richtigkeit des Vorwurfs gegen den Beklagten überzeugt. Zum Wohle des Familienfriedens sah der Richter von einer Verurteilung des Mannes ab. Mit dessen Zustimmung beschloss das Gericht, das Verfahren einzustellen, wenn der falsche Polizist eine Geldauflage von 200 Euro zu Gunsten der Opferhilfe gezahlt hat.