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Wenn die Weiber die Scheren wetzen

Bei Meister Stange liegen dieser Tage doppelt so viele Scheren zum Schleifen als sonst. Ob die Oberottendorferinnen besonders schneidwütige Weiber sind, will Stefan Stange nicht beurteilen. Dabei braucht er gar keine Angst vor Weiberfasching am Donnerstag zu haben.

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Von Heike Sabel

Bei Meister Stange liegen dieser Tage doppelt so viele Scheren zum Schleifen als sonst. Ob die Oberottendorferinnen besonders schneidwütige Weiber sind, will Stefan Stange nicht beurteilen. Dabei braucht er gar keine Angst vor Weiberfasching am Donnerstag zu haben. Denn wer keinen Schlips trägt, dem kann keiner abgeschnitten werden.

Doch mit dieser Ausrede hätte Stange bei den Frauen im Heidenauer Rathaus keine Chance. „Gnadenlos“ zieht Petra Leichter vom Standesamt mit vier, fünf Frauen los und macht jedem Schlips den Garaus. Wer keinen umbindet, wird anderweitig in die Mangel genommen. Den Männern jedenfalls gefällt es. Als nämlich letztes Jahr der Weiberfasching ums Rathaus einen Bogen machte, waren sie direkt enttäuscht. „Deshalb haben wir dieses Jahr wieder die Scheren gewetzt.“

Die mit allen Faschingswassern gewaschene Heike Niehörster hatte die Weiberfastnacht vor Jahren nach Heidenau gebracht, als sie hier Ordnungsamtsleiterin wurde. Bei der Premiere musste eine edle Brokat-Krawatte von Bürgermeister Michael Jacobs herhalten. Heike Niehörster ging, die Schlipsjagd blieb.

Die Ursprünge der Weiberfastnacht gehen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Es war damals Brauch, dass in Städten die Ehefrauen der ratsfähigen Familien zu einem eigenen Mahl und Tanz geladen wurden, zuweilen auch Witwen und Jungfrauen und gesondert die Freudenmädchen. Später nahmen die Frauen das Zepter in die Hand und organisieren selbst heitere Feste mit dem befristeten Recht, den Männern zu befehlen.

1824 beschlossen die Wäscherinnen im rheinischen Bonn-Beuel, am Donnerstag vor Karneval die Herrschaft an sich zu reißen, wofür sie sich zu einem Damenkomitee zusammenschlossen. Während ein Großteil der Männer unterwegs war, um die Wäsche auszufahren, übernahmen sie die Kontrolle über das jecke Treiben. Als äußeres Zeichen der getauschten Machtverhältnisse ist der abgeschnittene Schlips geblieben.

Die Erfahrungen damit sind recht unterschiedlich. In Dürrröhrsdorf-Dittersbach wird nun schon seit Jahren bereits zum Faschingsauftakt am 11. November dem Bürgermeister das zweitbeste Stück abgeschnitten. „Wir wollten einfach auffallen“, sagt Elferratschef Joachim Adrian. Und Kraft sparen für den großen Faschingsausklang drei Tage später.

Landrat Michael Geisler ging vor ein paar Jahren seiner damaligen Pressesprecherin Carolin Wunderlich in einer Live-Übertragung im MDR-Radio an die Wäsche. Für dieses Jahr haben sich noch keine wilden Weiber angemeldet. Sollte es ihnen spontan einfallen, müssen sie womöglich unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Denn Öffentlichkeitsarbeiterin Karin Kerber beugt vor: „Am Donnerstag stehen viele Außentermine im Kalender.“