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Wenn Dresdens Zukunft verbaut wird

Muss sich Stadtplanung ändern? Eine etwas andere Stadtrundfahrt zeigt bedrohte, gescheiterte, umkämpfte Gebiete.  

Von Melanie Schröder
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Der Neustädter Markt ist ein umkämpfter Raum: Interessen von Mietern, Stadtplanern und Investoren führen zu Debatten. Das ist kein Einzelfall in Dresden.
Der Neustädter Markt ist ein umkämpfter Raum: Interessen von Mietern, Stadtplanern und Investoren führen zu Debatten. Das ist kein Einzelfall in Dresden. © Sven Ellger

Diese Stadtrundfahrt ist anders. Sie führt zu Kreativ- und Wohnquartieren, zu Freiräumen in Dresden, die bedroht sind. Oder, die es schon nicht mehr gibt. So hält der Doppeldeckerbus auch da, wo nichts zu sehen ist: etwa auf dem Johannstädter Plattenwerksareal. Vor Monaten konnten sich hier noch Skater und Graffitikünstler ausleben. Jetzt: nur platte Fläche. Warum, wem nützt das, wie kann es anders gehen – diese Fragen stellt der Verein Konglomerat auf seiner Tour unter anderem dem Stadtplanungsamt. Zu Wort kommen auch Akteure bedrohter oder verschwundener Domizile. All ihre Geschichten plädieren für ein und dieselbe Sache: Stadtplanung muss sich wandeln – aus vielen Gründen.

1. Intransparente Entscheidungen sorgen für Unmut in der Gesellschaft.

Wie es auf dem Gelände des ehemaligen Skaterparks weitergeht, ist unklar. Früh ist die Initiative „248 Wheels“ auf die Stadt zugegangen, um ein neues Gebiet für Skater und Streetart zu erschließen – unter der Waldschlößchenbrücke. Doch die Stadt reagiere laut Sprecherin Sophie Menzel verhalten. Unter anderem Brandschutzmängel blockieren das Vorhaben. Das Johannstädter Areal liegt dagegen brach, Entwicklungsabsichten des Eigentümers seien nicht bekannt. Prozesse wie diese könnten viele Dresdner nicht verstehen, so Menzel.

Ähnlich steht es um eine Industrieruine in der Rosenstraße. Die Stadt und der Umweltdienstleister Veolia verhandeln über die Fläche, das bestätigt das Unternehmen. Dabei haben benachbarte Kreative Interesse an einer gemeinsamen Entwicklung angemeldet. Unter der Hand werde gemauschelt, so der Vorwurf des Vereins Konglomerat. Stefan Szuggat vom Stadtplanungsamt erklärt, sich zu dem konkreten Fall nicht äußern zu können. Häufig sei es aber so, dass Bürger Entscheidungen auf kommunaler Ebene nicht nachvollziehen können. Natürlich würden sie wohlüberlegt getroffen. Dennoch: Die Stadt müsse an ihrer Transparenz arbeiten.

2. Private Interessen gehen vor Kreativ- und Gewerbeförderung.

Die Mieter der Könneritzstraße 25 mussten ausziehen, weil ihre Arbeitsstätte abgerissen wurde, die Kreativen im Freiraum Elbtal wurden geräumt, da die Eigentümerin Regine Töberich Bauabsichten hatte, Mieter auf dem Neustädter Markt fürchten um ihre noch günstigen Wohnungen, wenn Bebauungsabsichten durchgesetzt werden. Natürlich entwickeln Investoren die Stadt – doch nicht immer verträglich mit dem Allgemeinwohl und vor allem zu häufig im Alleingang, so die Kritik. Freiräume seien zudem nicht juristisch definiert, Privateigentum hingegen schon. Szuggat macht dabei klar: Nicht selten ließe sich mit Privateigentümern verhandeln, weil der Kontakt direkter als etwa mit städtischen Behörden sei. Ein Paradebeispiel in Dresden: die Gestaltung der Hufewiesen in Trachau.

3. Alle wollen mitgestalten, Beteiligung ist aber nicht selbstverständlich.

Für die Robotron-Kantine entwickeln das Kunsthaus Dresden, der Verein Ostmodern und die Initiative „Wir gestalten Dresden“ derzeit mögliche Nutzungskonzepte. Für die Bebauung des Königsufers und Neustädter Markts hat ein mehrstufiger Beteiligungsprozess Maßstäbe gesetzt. Aus Stadtplanersicht sollten Bürger weiterhin projektgebunden in Bauabsichten einbezogen werden. Die Beteiligung etwa durch Gremien zu institutionalisieren, sei laut Szuggat aber „Energieverschwendung“. 

4. Die Stadt besitzt kaum noch Flächen, das erfordert eine gute Planung.

Gemeinsam Stadt gestalten, netzwerken und Synergien bündeln – das klingt theoretisch machbar. Wenn aber Räume fehlen, wo etwa die Kreative Kompetenzen zusammenwerfen können, wird es schwierig. Das erklärt Ronald Kämmerer. Sein Büro im DDR-Riegel in der Könneritzstraße musste er vor einiger Zeit aufgeben – gemeinsam mit rund 150 anderen Mietern. Zusammen hätten sie nach einem neuen Gelände gesucht – aber in der Stadt und zentrumsnah sei das unmöglich, sagt er. Auch der Initiative Elixir ging es so. Zusammen wollten Aktive in der Königsbrücker Straße 117/119 ein Zeichen für ein weltoffenes Dresden setzen und dort Flüchtlinge und Stadtgesellschaft zusammenbringen. „Die Fläche war eine der wenigen, die sich noch in kommunalem Eigentum befand. Sie wurde an einen Privatinvestor verkauft“, erklärt Elixir-Mitstreiterin Silke Pohl. Sie nennt das ein Beispiel verfehlter Grundstückspolitik. Der Stadtrat entschied zudem mit einer Stimme Mehrheit gegen das sogenannte Experimentierzentrum für interkulturelles Zusammenleben.

5. Dresden braucht Schutzgebiete für die Zukunft – und visionäre Ideen.

Angesichts des Flächenmangels mahnen nicht nur Menzel, Kämmerer und Pohl vorausschauend mit dem Grund und Boden der Stadt umzugehen. Ein Strategiepapier gebe es für die Entwicklung kommunaler sowie privater Flächen nicht, erklärt dazu Stefan Szuggat. In Zukunft solle aber funktionaler geplant werden. Neue Quartiere bräuchten einen Mix aus Wohn-, Kreativ- und Gewerberaum. Dahin müssten sich Projekte wie etwa der Alte Leipziger Bahnhof entwickeln. Von gemeinwohlorientierter Stadtplanung wie es die Konglomerat-Akteure fordern, ist dabei aber nichts zu hören. Flächen wie die Robotron-Kantine oder der Brückenpark – als neue Freifläche für Jugendkultur – könnten beispielhaft dafür stehen.