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Wenn ein Jubiläum Corona zum Opfer fällt

Grit Neumann hat vor 25 Jahren ihren Salon eröffnet. Sie war als junge Frau in den Westen gegangen und als Meisterin wiedergekommen.

Von Jens Hoyer
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Antonia Franz (v.l.), Monique Seidel, Kelly Borrmann und Jaqueline Sobotka stehen im Friseursalon um ihre Chefin Grit Neumann. Alle tragen die vorgeschriebenen Masken – in diesem Falle aber besonders originelle.
Antonia Franz (v.l.), Monique Seidel, Kelly Borrmann und Jaqueline Sobotka stehen im Friseursalon um ihre Chefin Grit Neumann. Alle tragen die vorgeschriebenen Masken – in diesem Falle aber besonders originelle. © Dietmar Thomas

Döbeln. Grit Neumann hat viel mitgemacht in 25 Jahren. Im August 2002 stand das Wasser 3,75 hoch in ihrem Friseursalon an der Stadthausstraße. Im Juni 2013 waren es beim zweiten Hochwasser 1,90 Meter. „Da ist zumindest die Decke erhalten geblieben“, meint sie lakonisch. In beiden Fällen organisierte sich die Friseurmeisterin einen mobilen Friseursalon und legte zehn Tage später schon wieder los. 

In der Coronakrise war das anders. „Sechs Wochen hintereinander geschlossen. Das hatten wir auch noch nicht“, sagt sie. Zwei Wochen lang hatten sie jetzt wieder vollen Betrieb, um den Frisierstau aufzuholen. „Wir hatten gut zu tun und jetzt erst wieder ein bisschen mehr Ruhe“, sagt sie. In all dem Corona-Stress ist das 25-Jährige Bestehen des Salons untergegangen.

„Ich habe in den 25 Jahren bestimmt an die 30 Lehrlinge ausgebildet. Viele haben sich später selbstständig gemacht“, erzählt die 50-Jährige. „Ich hatte oft Lehrlinge im ersten, zweiten und dritten Lehrjahr, in manchen Jahren sogar zwei. Es ist schön, zu wissen, dass man den jungen Leuten etwas mit auf den Weg gegeben hat.“ Eine junge Frau sei nach dem Berufsabschluss als Friseurin auf einem Kreuzfahrtschiff gefahren und lebe jetzt in Österreich. „Sie meldet sich immer mal, wenn sie in Döbeln ist“, erzählt Grit Neumann.

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Sie selbst hatte das Handwerk in der früheren PGH Friseure gelernt. Als einen eigentlich ungeliebten Beruf, wie sie zugibt. „Die anderen hatten schon alle ihre Lehrstellen. Und mir standen noch drei zur Auswahl. Als Putzmacherin, also Hutmacherin, als Friseuse und Kosmetikerin. Ich wollte Kosmetikerin werden, aber die Stelle war dann schon weg. Putzmacherin wollte ich nicht werden, also blieb Friseuse übrig. Dabei waren für mich Haare der Horror. Meine Mutter hatte immer Haare im Bad geschnitten und die lagen dann überall herum. Ich habe meine Ausbildung mit gemischten Gefühlen angetreten“, erzählt sie.

Die erste Ausbildungsstelle hat die Skepsis eher bestätigt. Grit Neumann lernte im Salon in der Döbelner Kaserne – erst einmal nur Herrenschnitte. „Erst nach einem Jahr kam ich ins Damenfach“, erzählt sie. „Da waren dann 16, 17 Friseusen im Salon. Das war ein Schock“, erzählt sie. Sie habe schon mit dem Gedanken gespielt, in die Gastronomie zu wechseln. Dann kam die Wendezeit. „Wir wollten über Ungarn in den Westen.“ Im Frühjahr 1990 sei sie nach Bockenheim gegangen, noch richtig offiziell mit Ausreiseantrag. Dort hatte sie Verwandte und bekam Arbeit in einem Friseursalon. „Ich sollte erst einmal auf eine internationale Friseurschule in Duisburg. Gleich in die Großstadt, und auch die Mentalität war eine ganz andere. Ich konnte aber dort den Meisterschülern über die Schulter schauen, habe Kontakte geknüpft und viel gelernt.“

Die Arbeit im ersten Salon beschreibt sie als eine harte Schule. „Das ging nicht immer sehr sozial zu“, sagt sie. Das habe sie bis heute geprägt. 1992 ging sie in einen Salon in Rhein-Hessen. „Dort bin ich mit der Chefin gut klargekommen. Die hat gesagt: Mach‘ den Meister.“ In Mannheim besuchte die Friseurin dann ein halbes Jahr lang die Meisterschule, selbst finanziert. „Meine Eltern haben mich unterstützt“, sagt sie. Später habe sie einen Salon in Speyer geleitet und dabei Erfahrungen gesammelt. „Da habe ich vieles umsetzen können“, sagt Grit Neumann.

Zurück in Döbeln eröffnete sie am 15. Mai 1995 ihren eigenen Salon. „Da hatte ich schon etwas Bauchgrummeln. Aber bei der Eröffnungsfeier standen die Leute schon draußen Schlange. Ich habe zwei Mitarbeiterinnen abgestellt, die Termine aufgenommen haben.“ Mit den althergebrachten Strukturen im Friseurhandwerk hatte sie nach den Erfahrungen im Westen ihre Probleme. „Ganz am Anfang ist einer meiner Lehrlinge durchgefallen, weil sie sich nicht an die Richtlinien der Friseurinnung gehalten hatte. Da ging es nicht um Kreativität“, erzählt Grit Neumann.

Zum Salon in Döbeln kam ein weiterer in Meißen, den sie mehrere Jahre führte, dann aber aufgab. Auch um mehr Zeit für ihre beiden Söhne zu haben. Heute hat Grit Neumann sieben Mitarbeiterinnen im Team, die sich um die Haare der Kundinnen und Kunden und die anderen Abläufe kümmern. Daneben investiert sie noch eine Menge Zeit in ein Ehrenamt. Sie hält beim Stadtwerbering aktiv und resolut die Fäden in der Hand. „Ohne mein tolles Team und die Familie würde das nicht funktionieren“, meint sie. Der Jubiläumsempfang ist Corona zum Opfer gefallen. „Das wird aber nachgeholt.“

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