Wie Neil Young Dresden rockt

Von Johannes Gerstengarbe
Wenn man sich bei den Filmnächten am Elbufer Dienstagabend durch die Menge kämpft, wird man durchgängig beschimpft. Es ist Neil-Young-Konzert, aber das große Schild „Love“, das von seiner Verstärkerwand auf der Bühne leuchtet, scheint vom hauptsächlich älteren, gut situierten Publikum noch nicht verinnerlicht worden zu sein.
Das Erste, was dann musikalisch beim Konzert auffällt: Der Gitarrensound ist großartig. Es gibt allein für Neil Young eine regelrechte Wand aus alten Gitarrenverstärkern der Firma Fender. Diese wurde mit mehreren Vintage-Mikrofonen abgenommen. Der Congaspieler steht dagegen in einem Plexiglas-Käfig und hat ein billiges Gesangsmikrofon über sich hängen. Damit sind die Prioritäten schon mal klar gesetzt. Sehr sympathisch.
Neil Youngs Gesang kann auf Tonträgern durch seinen leicht weinerlichen Gestus auf Dauer etwas nerven. Live tut er das nicht. Ob das an Altersreife oder am Tonmann liegt, ist schwer zu sagen. Ansagen gibt es selten, es wird sich auf das Wesentliche konzentriert. Das ist die Musik und die Spontanität. Sie spielen ein Stück an diesem Abend sogar zweimal, weil dem Meister grad danach ist. Vielleicht hat er auch einfach vergessen, dass „Powderfinger“ schon dran war. Das darf in diesem Alter aber ruhig mal passieren. Dafür werden ohne Wimperzucken verschiedene Tempi und die eher Singer/Songwriter-ferne Taktart Elf Achtel im Song „Words“ abgeliefert.
Die im Verhältnis junge Band, geführt von Willie Nelsons Sohn Lukas, hält Neil Young musikalisch den Rücken frei und macht seine spontanen Formänderungen ohne Murren mit. Spätestens bei „Keep on rocking in the free world“ kann dann das mitsingende Publikum lautstärkemäßig mit der Anlage mithalten. Das regt Auf-und-Ab-Springen der ganzen Band an. Vorher war das hauptsächlich die Aufgabe des Bassers. Die von Neil Young während des Konzertes öfter angesprochenen Zuschauer auf der Carolabrücke bekommen eine wohl nicht ganz ernst gemeinte Aufforderung: „Springt mal alle gleichzeitig auf und ab! Das ist ein wissenschaftliches Erlebnis.“
Die Zugaben beginnen mit Rückkopplungen. Und enden im Gitarren-Noise-Gewitter. Jetzt kommt auch der einzige nichtmusikalische Effekt zum Einsatz: Ein Keyboard in einer Schaukel mit Engelsdeko. Das Konzert zeigt die Essenz des Rock’n’Roll. Dieser ist, wie ein Musikersprichwort sagt, kein Lehnstuhl. Es wird hart gearbeitet am Instrument. Und als Musiker bekommt man Lust, mitzuspielen, da die freudvolle Ernsthaftigkeit dieses Künstlers und seiner Band ansteckend ist.