Wer beim Home-Schooling auf der Strecke bleibt

Viel Zeit, sich auf die neue Arbeitssituation vorzubereiten, blieb nicht – der Wechsel ins Homeoffice hat viele Tausend Sachsen unerwartet getroffen. Die 29-jährige Lehrerin Carola Iffland muss zusätzlich zum eigenen Arbeitstag auch den von über 100 Schülern neu gestalten. Sie unterrichtet Mathematik und Latein am Romain-Rolland-Gymnasium in Dresden. Seit Mitte März arbeitet Iffland von zu Hause aus. Die Online-Plattform LernSax ist bei der digitalen Lerntransformation eine große Stütze; doch Iffland muss sich anders behelfen. Obwohl das Gymnasium eine sogenannte LernSax-Schule ist, sind die Schüler ihrer fünften Klasse dort nicht registriert. Also hat sie in Eigenregie eine eigene Lernplattform gebastelt. Nach drei Wochen digitalem Schulunterricht, eingefrorenen Webcams und E-Mails statt Wortmeldungen ist es Zeit für ein erstes Resümee:
Frau Iffland, wie läuft der Online-Unterricht bei Ihnen?
Bis zuletzt habe ich gehofft, dass es nicht zur Schulschließung kommt. Natürlich sind die Maßnahmen total sinnvoll, aber aus beruflicher Sicht ist es eine sehr schwierige Situation. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Schüler damit sehr gut zurechtkommen.
Sehen das die Eltern auch so? Machen sie sich keine Sorgen um den Lernfortschritt ihrer Kinder?
Die große Sorge ist natürlich, dass die Motivation nachlässt. An unserer Schule sind die Aufgaben nicht direkt verpflichtend, sondern ein ausdrückliches Angebot. Die Schüler sind dadurch auf sich selbst gestellt. Manche Eltern vermissen ein bisschen den Druck oder sie fühlen den Druck auf sich übertragen. Und natürlich ist das eine ganz andere Situation, in der Eltern viel, viel mehr Kraft und Zeit investieren müssen, um ihre Kinder erst zum Lernen zu bewegen und sie dann zu begleiten.
Wo kommen Sie beim Home-Schooling an Ihre didaktischen Grenzen?
Das beginnt schon damit, dass ich kein direktes Feedback mehr bekomme. Wenn ich in der Klasse stehe, kann ich viel mehr Rückfragen stellen, auf die Schüler einzeln zugehen oder die Schüler können sich untereinander helfen. Das fällt jetzt alles weg. Meine Schüler können mich zwar immer noch erreichen und ich bekomme auch Nachrichten, aber ich glaube, dass die Schwelle höher ist eine E-Mail zu schreiben, als sich im Unterricht kurz zu melden.
Bleiben also die nicht so engagierten Schüler auf der Strecke?
Wie gesagt, ich bekomme keine direkte Rückmeldung. Aber ich fürchte, dass es so ist. Wenn wir wieder alle zurück in die Klassen kommen, werden sich sehr große Unterschiede zeigen. Es wird Schüler geben, die alles sofort verstanden haben und Schüler, die das allein nicht bewerkstelligen konnten. Diese Schüler werden dann unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen. Das wird eine große Herausforderung.
Welche Möglichkeiten möchten Sie aus dem digitalen Lernen mitnehmen, sobald wieder Normalität einkehrt?
Das Feedback meiner Schüler zeigt, dass sie wirklich Spaß daran haben schnelle, interaktive Übungen online zu machen: Die Aufgaben beginnen sehr einfach und steigern sich langsam, so bekommen die Schüler stetig Feedback und sehen, was sie verstanden haben. Ich kann mir gut vorstellen, das zukünftig in den Unterricht zu integrieren.
Sie gehen mit einer eigenen Webseite und interaktiven Aufgaben voran. Gibt es da Kollegen, die sich hilflos an Sie wenden?
Eigentlich nicht. Ich hab den Eindruck, dass alle mit der Situation ziemlich gut umgehen und eine Lösung für sich gefunden haben, wie sie ihre Aufgaben bereitstellen. Es gibt auch vereinzelt Lehrer, die jetzt angefangen haben Videokonferenzen - eine Art digitale Sprechzeit - anzubieten. Andere Kollegen halten Videokonferenzen für Lehrer ab, um sich über die neuen Möglichkeiten auszutauschen.
Stimmt, der Plausch im Lehrerzimmer fällt ja auch weg.
Eigentlich habe ich den Eindruck, einen besseren Einblick zu haben, was meine Schüler leisten. Bis jetzt fiel es mir schwer einzuschätzen, wie meine Schüler in anderen Fächern sind. Jetzt landen alle Aufgaben bei mir, bevor ich sie hochlade. Durch den vielen E-Mail-Kontakt mit den anderen Kollegen, denke ich, dass wir jetzt noch besser zusammenarbeiten. Wir bekommen einfach viel mehr voneinander mit, als es im normalen Schulalltag möglich ist. Vor allem auch mehr Positives. Meistens geht man erst zum Klassenlehrer, wenn ein Problem vorliegt. Selten, um mal zu loben. Das darf so bleiben.