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Wer darf denn nicht demonstrieren?

Die Demos gegen die Corona-Auflagen zeigen, dass die Demokratie funktioniert, sagt SZ-Redakteur Sebastian Beutler. Anders, als die Demonstranten meinen.

Von Sebastian Beutler
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© Fotomontage: SZ

Singende Frauen auf dem Marienplatz, Demonstranten auf dem Postplatz, Spaziergänger über die Berliner Straße - die Formen des Protestes gegen die Corona-Auflagen sind in Görlitz vielfältig. Sie alle eint: Sie glauben nicht an die Gefährlichkeit des neuen Virus, sie glauben deswegen nicht, dass Abstand halten und Hygieneauflagen nötig sind, sie fürchten, dass Bürgerrechte auch nach Abflauen der Pandemie eingeschränkt bleiben, sie treibt auch Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung um.

Dass diese Görlitzer Bürger ihre Zweifel und Sorgen artikulieren, ist ihr gutes Recht. Sie sind damit auch nicht allein. Seit vier Wochen diskutiert Deutschland über kaum etwas anderes so engagiert wie über die Frage: Wie wird der Neustart nach dem Corona-Lockdown gestaltet?  Dass die Görlitzer auf die Straße gehen können, straft aber ihre Klage über die Einschränkung der Bürgerrechte Lügen.

Wo sind sie denn daran gehindert, es zu tun? Wenn sie sich dann noch auf die Tradition der friedlichen Revolution in der DDR beziehen, wird es geradezu absurd. Niemand muss momentan befürchten ins Gefängnis zu kommen, wenn er gegen den Staat demonstriert.  

Natürlich gibt es Einschränkungen, die das Leben der Menschen beeinflussen. Die fehlende Kinderbetreuung, der fehlende Unterricht, die geschlossenen Restaurants und Hotels, auch trifft viele Kurzarbeit und die Sorge darüber, wie es mit ihrem Job weitergeht. Diese Unsicherheit ist mit Händen zu greifen und niemand muss sich dafür schämen. Aber anders als in Italien oder Spanien ist die Wirtschaft eben nicht lahmgelegt worden, mussten Betriebe nicht gänzlich schließen. Es gab keine Ausgangssperren bei allen Kontakt-Auflagen. 

Man darf auch in diesen Zeiten demonstrieren und anderer Meinung sein. Aber man sollte auch akzeptieren, dass die Mehrheit den Kurs im Land für richtig hält, dass eine Mehrheit unter den Experten, das Coronavirus als höchst gefährlich einstuft. Und dass die Demonstranten eine Minderheit darstellen.

Vielleicht würde es allen mehr nutzen, wenn die Energie und Kraft eher da reingesteckt wird, den Wiederanfang so zu gestalten, dass er zu einem Erfolg wird. So wie die vielen Friseure, Kosmetikerinnen, Fußpflegerinnen, Lehrer und Geschäftsinhaber, Gastronomen und Hoteliers, die das trotz aller Einbußen und Existenzängste in bravouröser Art gerade tun und nicht aufgeben. Sie sollten wir alle unterstützen.

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