Von Bettina Grachtrup
Wo fängt der Spreewald an, wo hört er auf? Das ist eine entscheidende Frage für Gurken-Anbauer in Südbrandenburg. Dort tobt seit Jahren ein regelrechter Krieg um das Gemüse. Es darf nur dann mit dem Zusatz „Spreewälder Gurken“ oder „Nach Spreewälder Art“ verkauft werden, wenn es zu 70 Prozent im Spreewald heranwuchs und der Verarbeiter seinen Sitz in eben dieser Region hat. So jedenfalls sieht es eine Verordnung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1999 vor.
Für diesen Markenschutz hatten die Spreewälder jahrelang gekämpft, die damals gezogenen Grenzen des Anbaugebietes sorgen jedoch bis heute für Unmut. Die Wurzeln des Konflikts reichen bis in die Nachwende-Jahre zurück: In der DDR war das originäre Kürbisgewächs ein beliebtes Produkt. „Nach der Wende haben alle großen Gurken-Anbieter mitbekommen, dass sich Spreewälder Gurken besonders gut verkaufen lassen“, erinnert sich der Geschäftsführer des Spreewaldvereins in Lübben, Dieter Irlbacher.
Verein definiert Terrain des Gurkenlandes
Anbieter aus dem Westen verkauften denn auch skrupellos Spreewälder Gurken, die streng genommen gar keine waren. „Hier brach fast die ganze Gurken-Industrie zusammen“, sagt Irlbacher. Der Verein stellte deshalb im Namen der heimischen Anbauer und Verarbeiter einen Antrag auf Markenschutz, den das Bundesjustizministerium bei der Kommission einreichte.
Der Verein definierte dafür zusammen mit der Humboldt-Universität Berlin und den betroffenen Kommunen einen Wirtschaftsraum Spreewald. In dem Gebiet werden heute jährlich rund 35 000 Tonnen des Gemüses geerntet. Bei der Grenzziehung habe man sich unter anderem auf historische und geologische Gesichtspunkte gestützt.
Zu dem 3 200 Quadratkilometer großen Areal gehört gerade noch ein großer Produzent in Golßen (Dahme-Spreewald), ein Konkurrent im rund 20 Kilometer entfernten Jüterbog (Teltow-Fläming) dagegen nicht. „In Golßen wurden zu DDR-Zeiten immer schon Gurken verarbeitet“, sagt Irlbacher. „Zu Jüterbog lässt sich dagegen vor allem aus der Historie her keine Verbindung zum Spreewald finden.“
„Skandal!“, protestiert die Konkurrenz, als deren Speerspitze die in Jüterbog ansässige Jütro Konservenfabrik GmbH & Co. KG gesehen wird. Das Unternehmen verkauft bis heute Gurken-Fässchen „nach Spreewälder Art“, obwohl es nicht im geschützten Gurkenland ansässig ist. Geschäftsführer Bernd-Richard Meyer begründet dies damit, dass der definierte Wirtschaftsraum ohnehin weit über den eigentlichen Spreewald hinausreiche.
Sein Anwalt Rolf Schultz-Süchting will deshalb erreichen, dass das Gebiet nicht mehr maßgeblich ist für die Definition der Spreewälder Gurken oder eng begrenzt wird auf die Region der Kahnfahrer nördlich von Lübben bis kurz vor Cottbus. Eine entsprechende Klage sei jetzt beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig. Der Europäische Gerichtshof hatte im Dezember 2001 Nachprüfungen zur Festlegung des Wirtschaftsraums zur Sache nationaler Behörden und der deutschen Gerichte erklärt.
Bei einer engeren Definition läge zwar Jüterbog erst recht draußen, die Konkurrenz aus Golßen jedoch auch. „Es ist doch klar, dass solchen Prozessen bestimmte Wettbewerbssituationen zu Grunde liegen“, räumt Schultz-Süchting ein, der noch zwei weitere Verarbeiter von Gurken mit demselben Anliegen vertritt. Es sei nicht hinnehmbar, dass Unternehmen, die auch nicht im Spreewald, aber im „imaginären“ Wirtschaftsraum ansässig seien, einen Markt „abgriffen“, der ihnen nicht zustehe.
Als „nicht absehbar“ bezeichnet Irlbacher die wirtschaftlichen Folgen einer Gebietsverkleinerung: In dem Urstromtal, das zum großen Teil Biosphärenreservat sei, könnte nicht genug angebaut werden, um Spreewälder Gurken in ganz Deutschland zu verkaufen. Die Konkurrenz wolle nur den bundesweiten Siegeszug des beliebten Gemüses verhindern. Irlbacher kündigt harten Widerstand gegen etwaige Änderungen des Gebiets an und sagt an die Adresse von Jütro: „Kurz daneben ist eben auch vorbei – ob sie es einsehen wollen oder nicht.“ (dpa)