Wer ruft in Bautzen zum Corona-Protest?

Bautzen. Es ist Sonnabendmittag in Bautzen. Bei Sonnenschein und blauem Himmel erledigen Menschen auf dem Kornmarkt ihre letzten Einkäufe, bevor der Wochenmarkt schließt. An diesem 11. April vor knapp fünf Wochen versammeln sich hier auch erstmals Menschen, um sich gegen die Corona-Beschränkungen zu äußern. Eine Gruppe von rund 20 Personen steht im Kreis, viele von ihnen halten eine kleine weiße Broschüre in der Hand: das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland.
Bei dieser Aktion ist es nicht geblieben. Auch an den folgenden drei Sonnabenden protestierten Menschen. Aber wer ruft dazu auf? Einer, der jedes Mal dabei war, behauptet, es nicht zu wissen. Es ist Veit Gähler, der in Bautzen nicht nur einen Spielzeugladen betreibt, sondern seit Jahren auch Verschwörungstheorien verbreitet, etwa auf seiner Internetseite denkste-mit.de.
„Die Teilnehmer haben sich immer ganz zufällig getroffen und auch zufällig Grundgesetze dabei gehabt“, sagt Gähler. Viele Menschen hätten eben gerade dieselben Bedürfnisse, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, nicht nur in Bautzen. Wer zufällig noch ein Grundgesetz benötigt, kann sich an der Kasse in seinem Spielzeugladen bedienen.
Auch der Bautzener Unternehmer André Giebelhäuser war mindestens am 11. und 18. April auf dem Kornmarkt dabei. Auch er zählt zu den hiesigen Verschwörungstheoretikern, dafür nutzt er seine Seite fuerunserezukunft.org.
Die Zahl der Teilnehmer steigt
Während sich die Menschen an den ersten beiden Sonnabenden offenbar ausschließlich auf dem Kornmarkt getroffen haben, sind sie sowohl am 25. April als auch am 2. Mai vom Kornmarkt über die Reichenstraße zum Hauptmarkt gelaufen. Festzustellen ist, dass es ganz unterschiedliche Menschen sind: Händler und Gastronomen, Jugendliche und Senioren, Männer und Frauen, Verschwörungstheoretiker oder auch der Geschäftsführer eines Unternehmens, das zu 100 Prozent der Stadt Bautzen gehört.
Und es sind immer mehr geworden. Noch am 18. April ist die Gruppe der Teilnehmer überschaubar, wenn auch über den Kornmarkt verteilt. Eine Woche später, am 25. April, laufen bereits über 50 Personen still vom Korn- zum Hauptmarkt und singen dort gemeinsam etwa „Die Gedanken sind frei“, auch wenn nicht alle Teilnehmer textsicher sind, wie ein Facebook-Video zeigt.
An der jüngsten Veranstaltung am 2. Mai haben nach Schätzungen von Sächsische.de zwischen 150 und 200 Personen teilgenommen. Von einem zufälligen Ereignis konnte schon in den vergangenen Wochen, hier aber erst recht nicht die Rede sein. In sozialen Netzwerken kursierte ein Aufruf mit dem Text: „Bautzen. Du & ich gemeinsam. Samstags 12 Uhr.“ Darauf sind eine Comic-Ansicht der Bautzener Altstadt sowie ein Mann und eine Frau zusehen, die in ihrer Mitte statt eines Kindes das Symbol für einen Paragraphen an den Händen halten und über eine Wiese spazieren.
Gegen Mittag hatten sich die Teilnehmer auch nicht verstreut auf dem Kornmarkt verteilt, sondern gezielt gesammelt, um erneut still und friedlich zum Hauptmarkt zu laufen. Zu der wieder sehr gemischten Gruppe hatten sich auch Bautzener AfD-Stadträte gesellt.
AfD plant Kundgebung auf dem Kornmarkt
Ohnehin scheint die AfD den Protest gegen die Corona-Beschränkungen für sich nutzen zu wollen. Nur einen Tag zuvor hatte der AfD-Bundestagsabgeordnete Kasten Hilse auf dem Kornmarkt, um den sich herum die Polizei mit mehreren Fahrzeugen und Beamten positioniert hatte, eine Eilversammlung angemeldet. Eigentlich war auch hier ein Spaziergang geplant, der in derselben Aufmachung wie für den 2. Mai in sozialen Netzwerken beworben wurde.
Für den Sonnabend dieser Woche hat der Kreisverband der AfD Bautzen eine Kundgebung auf dem Kornmarkt geplant. Redner wird Karsten Hilse sein. Thema: „Das Grundgesetz verteidigen.“
Was in Bautzen auffällt: Im Gegenzug zu anderen sächsischen Städten halten sich Polizei und Behörden sehr zurück. In Pirna und Zittau waren Versammlungen aufgelöst und Teilnehmer überprüft worden, weil sie gegen die Corona-Auflagen verstießen. In Bautzen waren am 2. Mai zunächst keine Beamten vor Ort.
Polizeisprecherin Katharina Korch schreibt auf Anfrage von Sächsische.de: „Um 12.30 Uhr erhielt die Polizei Hinweise zu einer Personenansammlung zwischen Reichenstraße und Hauptmarkt. Eine Streife stellte im Bereich Hauptmarkt insgesamt etwa 50 Personen in mehreren Kleinstgruppen fest. Kurz nach Eintreffen der Beamten entfernten sich die Anwesenden.“
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