Von Wulf Stibenz
Dresden/Radebeul. Das Diakonische Werk Sachsen weist darauf hin, dass die statistischen Ergebnisse des Freistaats zur Anzahl der Obdachlosen in Sachsen falsch seien. Das sächsische Sozialministerium hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass die Zahl der registrierten Menschen ohne eigene Unterkunft im Vorjahr um elf Prozent auf 1 422 Betroffene zurückgegangen ist. Der kontinuierliche Abwärtstrend, so das Ministerium, halte seit 1997 an, als noch 2 810 Wohnungslose in Sachsen registriert wurden.
Die Diakonie geht von einer wesentlich höheren Zahl aus. Allein in den diakonischen Beratungsstellen des Freistaats, so die evangelische Institution mit Sitz in Radebeul, seien 1 812 Personen in akuter Wohnungsnot. Und: „Nur 18 Prozent waren in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht“, relativiert Rotraud Kießling, zuständige Referentin der Diakonie, die Zahlen des Sozialministeriums.
Unwägbarkeiten beim Erfassen von Berbern – wie wandernde Obdachlose genannt werden – räumt der Sprecher des sächsischen Sozialministeriums ein. „Es gibt Obdachlose, die sich nicht statistisch erfassen lassen“, sagt Ralph Schreiber. Grund: Nicht alle Betroffenen melden sich bei Ämtern, um soziale Unterstützung zu erhalten. Ihm sei bewusst, dass „die Dunkelziffer bei Obdachlosen in Sachsen höher sein kann“. Es sei für das Ministerium nicht kontrollierbar, wie methodisch Kommunen ihre Daten erheben. „Jedoch ist der erfasste Trend zu weniger Obdachlosen in Sachsen deutlich.“ Das gehe klar aus der seit 1990 geführten Statistik hervor.
Einigkeit bei fehlenden Daten
Die Dimension des Trends bezweifelt zum Beispiel der Niklashof – eine Einrichtung für Obdachlose im Dresdner Hechtviertel. „Im vergangenen Jahr suchten unsere Beratungsstelle 40 Bedürftige mehr auf als noch 2003“, sagt Niklashof-Mitarbeiter Michael Schulz. Zwar sinke im prozentualen Vergleich der Anteil von Obdachlosen um etwa drei Prozent, aber ein starker Rückgang sei dies nicht. „Insofern kann ich die Statistik des Ministeriums nicht bestätigen“, so Schulz.
Die Ursachen für unterschiedliche Trends aufgrund der Statistiken sind vielfältig: Etwa 20 Prozent aller Obdachlosen werden gar nicht erfasst. Sie übernachten bei Freunden, auf Parkbänken oder in Abrisshäusern. Einige nehmen aus Scham gar keine soziale Hilfe an. Diese Besonderheiten in der Armutsproblematik bestätigten Ministerium und Diakonie gleichermaßen.