Von Heike Heisig
Über Jahrzehnte waren sie Bück-dich-Ware und wenn überhaupt, nur durch Beziehungen zu bekommen: Fliesen. Als Jörg Oberländer in den Wendetagen Bekannte in Frankfurt/Main besuchte und da in einen Fliesengroßhandel kam, war er von den Socken. Seine Begeisterung ging soweit, dass er sich entschied, sich als Großhändler für Fliesen selbstständig zu machen. Das war heute vor genau 25 Jahren.
Seine Töchter hat er mit der Begeisterung für diese Art Keramik angesteckt. Und so ist Tochter Susan nach ihrer Ausbildung zur Groß- und Einzelhandelskauffrau in den väterlichen Betrieb eingestiegen und trägt seit vielen Jahren als Mitgeschäftsführerin Verantwortung. Sie kann sich übrigens noch gut an den Tag in Frankfurt erinnern. Sie war dabei, ging noch zur Schule.
Inzwischen haben die Oberländers An der Vogelstange 25 im ehemals landwirtschaftlich genutzten Stadtgut von Roßwein Sehenswertes aufgebaut. Auf rund 200 Quadratmetern Fläche befinden sich – im früheren Schweinestall – das Büro und eine Ausstellung, die sich über zwei Ebenen erstreckt. Unten finden Bauherren Fliesen fürs Bad. Oben sind Fliesen für die Küche und den Wohnbereich ausgestellt. Bei manchen lohnen sich ein prüfendes Streichen über die Oberfläche und ein zweiter Blick. Denn nur wie Fliesen sehen Fliesen heute längst nicht mehr aus. Sie sind Laminat, Holz und Kieselsteinen zum Verwechseln ähnlich. „Das ist tatsächlich alles Keramik, was sie hier sehen“, versichern Susan und Jörg Oberländer.
Sie haben festgestellt, dass es etwas länger dauert, ehe sich Trends durchsetzen. Was in den Großstädten angesagt ist, wird in Roßwein erst später nachgefragt. Jörg Oberländer findet das nicht schlimm. Denn er ist ohnehin der Meinung: „Es kommt darauf an, was dem Interessenten persönlich gefällt und nicht, was vielleicht die Nachbarn haben.“
Für die Beratung der Kunden nehmen sich die beiden Fliesenfachleute schon einmal mehrere Stunden Zeit, um Varianten durchzuprobieren. Anschaulicher wird die Badplanung seit drei Jahren durch 3-D-Simulation am Computer. In der Ausstellung gibt es auch Musterbäder, -duschen und Waschplätze. Einige davon haben die Oberländers zum Jubiläum neu gestaltet. Außerdem richteten sie den Eingang barrierefrei her. „Das hatten wir schon lange vor, sind aber nicht dazugekommen“, sagt Susan Oberländer.
Mit neuem Laden abgesoffen
Einigen Stress hatte die Familie 2002. Damals hatte sie in Nossen gerade ein Ladengeschäft eingerichtet – als das Augusthochwasser alle Bemühungen zunichte machte. Das sei ein herber Schlag gewesen, geben die Großhändler zu. Doch davon ließen sie sich nicht unterkriegen. Sie entschlossen sich, den Standort in Nossen aufzugeben und sich auf den Hauptsitz in Roßwein zu konzentrieren.
Die letzten Zweifel räumten Manfred Graetz, damals Landrat, und Martin Gillo, zu diesem Zeitpunkt Sachsens Wirtschaftsminister, aus. „Sie haben uns verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass Unternehmer hierbleiben und hier weitermachen“, erinnern sich Susan und Jörg Oberländer. Inzwischen sagen die beiden von ihrem Werdegang als Selbstständige: „Wir haben alles richtig gemacht.“