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Westtangente: Fluch oder Segen?

Das Thema „Westumfahrung“ spaltet in Bautzen die Geister. Die Arbeiten an dem 20-Millionen-Projekt sollen 2005 beginnen. Die SZ hat die Positionen der im Stadtrat vertretenen Parteien und der Bürgerinitiative zusammengetragen.

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Von Heiko Engel

Das Thema „Westumfahrung“ spaltet in Bautzen die Geister. Die Arbeiten an dem 20-Millionen-Projekt sollen 2005 beginnen. Die SZ hat die Positionen der im Stadtrat vertretenen Parteien und der Bürgerinitiative zusammengetragen.

Der Streit um die Westumfahrung geht in die nächste Runde: Im April eröffnet das Dresdener Regierungspräsidium das Planfeststellungsverfahren. Der Trassenbau rückt ein Stück näher, denn jetzt sind die Unterlagen soweit ausgereift, dass sie der Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Auch die Bürgerinitiative „Südumfahrung statt Westtangente“ schläft nicht. Sie versucht die Stadtratsfraktion von ihrer Position zu überzeugen, lädt für Ende März zum Bürgerforum ein und sammelt weiter Unterschriften.

Für die Trasse sprach sich der Bautzener Stadtrat bereits vor zehn Jahren aus. Wie die CDU-Fraktion heute zur Westumfahrung steht, kann Fraktionschef Peter Spendler noch nicht sagen. „Wir befinden uns mitten in der Diskussion.“ Er habe zwar Verständnis für die Bürgerinitiative. Das „Große und Ganze“ bei der Verkehrsplanung dürfe allerdings nicht aus dem Blick geraten, so Spendler. Weil die Mei-nungsfindung schwierig sei, könne sie nicht übers Knie gebrochen werden. Helfen sollen auch Experten, die die Fraktion um Rat fragen will.

Für die Westumfahrung spricht sich Joachim Loos, Vorsitzender der PDS-Fraktion im Stadtrat, aus. „Der Ansatz ist richtig.“ Die PDS beobachte aber sehr genau, ob bürger- und umweltfreundlich geplant werde. Die von der Bürgerinitiative favorisierte Südumfahrung von Dreistern nach Ebendörfel hält er für keine geeignete Alternative. Sie bringe zwar Entlastung, das reiche aber für die Stadt nicht aus.

In den Reihen der SPD-Stadträte spürt Fraktionschef Roland Fleischer eine „Tendenz gegen die Westumfahrung“. Er selbst macht aus seiner Ablehnung kein Geheimnis. Eingriffe in Natur und Stadt wiegen für ihn die Vorteile durch die Verkehrsentlastung nicht auf. Noch sei in der Fraktion nichts entschieden. Für die einzige Bündnisgrüne ist klar: Die Westtangente ist nicht akzeptal. Ökologische Besonderheiten des Spreetals dürften nicht geopfert werden.

„Wenn verwirklicht wird, was die Bürgerinitiative will, wäre es ein Schaden für Bautzen“, ist der FDP-Stadtrat Peter Giebelhäuser überzeugt. Die Entwicklung Bautzens würde leiden. „Die Westumfahrung ist die optimale Variante.“ Dennoch sieht er die Chance, beim Planfeststellungsverfahren mit der Initiativgruppe zusammenzuarbeiten, damit Bürger- und Umweltbelange gebührend berücksichtigt würden.

Nach Giebelhäusers Meinung gibt es nicht die Wahl zwischen West- oder Südumfahrung. Beide Straßen seien wichtig. Ähnlich argumentiert auch Roland Schultze, Leiter des Straßenbauamtes. „Bautzen braucht beide Strecken“: Die Südumfahrung für die Region, die Westtangente für die Stadt. „Weit mehr als 80 Prozent der Autos wollen zu einem Ziel in Bautzen oder sind hier gestartet.“ Auch die Verkehrsprognose spreche für die Westtangente. Im Jahr 2015 werden demnach über diese Strecke täglich 17 500 Fahrzeuge rollen. Die Belastung der Südumfahrung wird auf 12 000 Fahrzeuge geschätzt.

Diese Argumente überzeugen Reinhard Schade und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative nicht. Sie fürchten um das Naherholungsgebiet im Spreetal, die Straße würde es „verschandeln“. Gefährdet sei auch das Spreebad, weil die Trasse direkt an der Liegewiese vorbeiführe. 1 800 Bautzener hätten sich laut Schade mittlerweile an einer Unterschriftensammlung gegen das Bauprojekt beteiligt. Viele der Unterzeichner wohnten in der Neustadt oder kümmerten sich um einen Garten, der dem Asphaltband zum Opfer fallen würde oder dem Verkehrslärm ausgesetzt wäre.

Die Initiative will in einem Forum über die Auswirkungen informieren. „Westtangente: Notwendiges Übel oder notwendig?“, heißt die Veranstaltung am 25. März im Hotel „Residence“ an der Wilthener Straße. In Vorträgen soll auf die Konsequenzen für Wirtschaftsentwicklung, Umwelt und Natur hingewiesen werden.

Das Dresdener Regierungspräsidium (RP) eröffnet im April das Planfeststellungsverfahren. Bürger haben dort die Gelegenheit, Einwende gegen den Straßenbau geltend zu machen. „Träger öffentlicher Belange“– beispielsweise Naturschutzbehörden oder Energieversorger – bittet die Behörde von sich aus um einen Kommentar. Das Bautzener Straßenbauamt sichtet die Stellungnahmen. Dann folgt ein „Erörterungstermin“. Dort diskutieren Straßenbaubehörden, Bürger und Verbände über Bedenken und Kritik. Ob und wie sie berücksichtigt werden, entscheidet das RP.

Am Ende des gut einjährigen Verfahrens verkündet die Behörde den „Planfeststellungsbeschluss“. Er legt fest, wie die Straße auszusehen und sich in die Landschaft einzufügen hat. Gegen den Beschluss können vom Straßenbau Betroffene vor dem Verwaltungsgericht klagen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich bereits mit Einwendungen am Verfahren beteiligt haben.