Von Georg Moeritz
Dresden. Uwe Schickor sucht rund 100 Beschäftigte. Elektriker, Schlosser, Schweißer – solche Fachkräfte sind im Aufschwung gefragt. Schickor kennt Industrie- und Baubetriebe, die sich gern solche Helfer für einige Monate bei ihm ausleihen. 250 Beschäftigte hat er schon, in sieben Niederlassungen von Dresden über Erfurt bis Eisfeld an der bayerischen Grenze. Schickor spricht vom Wunsch, zu expandieren und in Berlin mitzumischen.
Doch die Fachkräfte machen sich rar, wenn sie zwischen Zeitarbeit und Dauer-Arbeitsort wählen können. „Wir schaffen es nicht mehr, Facharbeiter zu gewinnen, um unsere Aufträge abzusichern“, sagt Schickor. Mehr als 600 Firmen bemühen sich in Sachsen um Leiharbeiter, und deren Zahl ist im Aufschwung kräftig gewachsen: nach jüngsten Zahlen der Arbeitsagentur auf 39000 im vergangenen März. Ein Jahr zuvor waren es noch 10000 weniger. Drei Viertel sind Männer.
Drei Tarifverträge gelten
Schickor verweist darauf, dass er Tariflohn zahlt. Doch es gibt verschiedene Tariflöhne, und die Verleihbetriebe liefern sich einen zunehmenden Wettbewerb. 5,77 Euro brutto pro Stunde oder 875 Euro im Monat heißt der niedrigste Lohn für Hilfskräfte in Büro und Industrie in den neuen Ländern – aber nur, wenn es nach der Arbeitsgemeinschaft Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) geht. Dort ist Schickor Mitglied und Regionalkreisleiter für Sachsen mit mehr als 60 AMP-Mitgliedsfirmen. Schickor zufolge richten sich die meisten ostdeutschen Leiharbeitsfirmen nach dem AMP-Tarif. „Wir stellen aber kaum unter sechs Euro pro Stunde ein“, sagt Schickor.
Zugleich werben andere Leiharbeitsfirmen mit höheren Stundenlöhnen: 6,42 und 6,24 Euro. Das sind die Ost-Tariflöhne für Hilfskräfte laut Bundesverband Zeitarbeit (BZA) und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Die beiden haben Tarifverträge mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ausgehandelt.
Schickors Verband AMP dagegen schloss seinen Tarifvertrag mit dem kleinen Christlichen Gewerkschaftsbund. Der unterschrieb auch, dass in Gegenden mit „überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit“ der Lohn gekürzt werden könne. Das sei allerdings noch nie vorgekommen, sagt AMP-Hauptgeschäftsführer Thomas Hetz.
BZA-Mitgliedsfirmen werben mit ihren höheren Löhnen in Stellenanzeigen. „Profitieren Sie vom sichersten Tarifvertrag der Branche“, schrieb Marktführer Randstad. Dessen Verband BZA hat vor wenigen Tagen eine neue Internetseite www.da-verdiene-ich-mehr.de eingerichtet. Wer sie anklickt, findet Lohnvergleich und Werbe-Argumente: „Wenn zwischen zwei Einsätzen eine zeitliche Lücke entsteht, zahlt das Zeitarbeitunternehmen die Vergütung weiter, als ob man gearbeitet hätte.“
Überstunden sind üblich
Das gilt auch für die AMP-Betriebe wie die Schickor Personaldienstleistungs GmbH. Offen räumen die Verleiher aber ein, dass die Beschäftigten erst einmal rund 150 Überstunden ansammeln sollten. Facharbeiter könnten auch eine Zeit lang „unterhalb ihrer Qualifikation“ eingesetzt werden.
Die DGB-Gewerkschaften fordern vom Staat, ihren Tarifvertrag für allgemein verbindlich zu erklären. Zudem prangern sie an, dass Betriebe wie BMW Leipzig oder Infineon und Qimonda Dresden dauerhaft Hunderte Leiharbeiter einsetzen – eine Obergrenze müsse festgesetzt werden. Schickor wehrt sich: „Mit Verboten kann man dem Aufschwung nicht dienen“, sagt er. Schickor zufolge würden Hilfskräfte es bei höheren Löhnen schwerer haben, Arbeit zu finden.
Während Ingenieure häufig nur wenige Monate beim Verleiher bleiben und dann dauerhaft beim Entleiher unterkommen, haben Hilfskräfte diese Chance seltener. Als kürzlich ein wichtiger Kunde Schickors in Großenhain sagte, mehr als elf Euro pro Stunde könne er für Helfer nicht zahlen, entschloss sich Schickor, seine Niederlassung dort zu schließen. Er brauche zwölf Euro Einnahmen, um sechs Euro Lohn zahlen zu können.