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Wettiner-Schätze im Zarenpalast

Rüdiger Prinz von Sachsen hat verschollenen Besitz der Familie in St. Petersburg gesucht. Was kaum jemand zu hoffen wagte, traf ein:Er wurde fündig.

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Von Ulrike Keller

Der Zweite Weltkrieg tobt schon im sechsten Jahr. Nacht um Nacht schleichen sich drei junge Burschen mit Kisten aus Schloss Moritzburg. Schweren Kisten. Sie schleppen sie in den Wald. Heben Löcher aus und vergraben sie. So viel sie schaffen, bis es hell wird. Wochenlang verstecken sie Vasen, Bilder, Zeichnungen, Porzellan und Silber. Wertvolle Kunstgegenstände aus der Jahrhunderte alten Privatsammlung der Wettiner.

Rüdiger Prinz von Sachsen (58) hat diese Geschichte oft gehört. Die jungen Männer waren sein Vater und dessen zwei Brüder, seine Onkel. Der Einsatz ihres Lebens hat wenig genützt. Nach der Kapitulation 1945 gerieten geheime Zeichnungen von den Orten der Versenkung in russische Hände. Die Besatzer hoben einen Großteil der Schätze aus und brachten die Beute nach Moskau. Auch kostbare Exponate aus Museen gingen nach Russland. Unter anderem das Taufbecken des Hauses Wettin, das als Leihgabe im Grünen Gewölbe stand. Vieles verschwand und blieb verschwunden.

Im vergangenen November schaltet sich das ZDF ein. Für eine Dokumentation öffnet es Rüdiger Prinz von Sachsen die Türen zur St. Petersburger Eremitage. Zwei Tage darf er sich in dem riesigen Museum, dem einstigen Winterpalast des Zaren, umschauen und informieren.

Eine russische Journalistin übersetzt. Das ZDF filmt. „Ich habe keine Erwartungen gehabt“, sagt Rüdiger Prinz von Sachsen. „Meine Hoffnung war, den einen oder anderen Kontakt zu finden.“ Die wahren Möglichkeiten und Erfolgsaussichten unterschätzt er um ein Vielfaches. Sein Bonus: Die Familie Wettin stand den Nationalsozialisten nachweislich ablehnend gegenüber. Von Sachsens Großvater engagierte sich im Widerstand und kam ins KZ. Seine Onkel wurden als wehrunmündig eingestuft, einer saß in Haft. Dennoch. Die braune Vergangenheit der Deutschen ist omnipräsent, als der Prinz mit Museumsmitarbeitern ins Gespräch kommt. „Ich habe viele Geschichten gehört von dem großen Leid, das wir mit dem Krieg angerichtet haben“, erzählt er.

Von Sachsen verfolgt ein klares Ziel: herauszufinden, wo die Familienstücke lagern und wie sie erhalten sind. „Ich will nichts wieder holen“, versichert er. „Aber vielleicht können wir bei der Erhaltung helfen. Immerhin handelt es sich um sächsisches Kulturgut.“ Die Rechercheliste ist lang und dabei noch unvollständig: allein 1 007 Gemälde werden gesucht, die 87 000 Blatt starke Kupferstichsammlung von König Friedrich August II ist vermerkt, auch das Polnische Krönungsservice von August dem Starken. Seit Jahren sind er und eine Schar von Anwälten diesen verschollenen Kunstgegenständen von deutschen Schreibtischen aus auf der Spur. Wie nahe kommt er ihnen nun in St. Petersburg?

Womit er nicht gerechnet hat: Die Eremitage zeigt sich überaus offen und hilfsbereit. Mehr noch. Die Leiterin der Silberkammer liefert ihm Schlüssel-Informationen. Sie verrät, dass das Taufbecken im Depot lagert. Und gibt ihm den Hinweis, sich in der laufenden Ausstellung umzusehen. Rüdiger Prinz von Sachsen kann zwei große Vasen anhand des Wettiner Wappens eindeutig identifizieren. Ein Gefühl, wie ein altes – bisher völlig unbekanntes – Kinderfoto von sich zu finden, sagt er. Eine Mischung aus Erstaunen, Unglauben, Verwirrung. Und schließlich pure Freude. Nun hat er Gewissheit: Ein Teil der Wettiner Schätze schlummert in St. Petersburg.

Erst traut er den Augen kaum, dann den Ohren: Er wird gebeten wieder zu kommen und im Depot beim Identifizieren der Bestände zu helfen. Dazu soll er Museumsexperten aus Sachsen mitbringen. Auch eine Ausstellung mit den in Russland gefundenen Wettiner Sammlungsstücken steht in Aussicht. „Ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass die ganze Familie auf Eigentumsansprüche verzichtet, wenn die Kunstgegenstände ins Museum kommen“, verspricht der 58-Jährige. „Dann hätten alle etwas davon.“

Indes organisiert er die nötige Unterstützung. Eine große Hilfe ist ihm Schwiegertochter Jedida. Die gebürtige Dresdnerin spricht als einzige in der Familie Russisch. Fließend. Dazu ist sie Anwältin. Rüdiger Prinz von Sachsen hat auf Russland einen anderen Blick bekommen: „Die Recherche lief freundlicher und einfacher als bei uns“, sagt er und ist immer noch erstaunt über diese Erfahrung. Die Geschichte der Wettiner Schätze scheint ein neues Kapitel zu schreiben. Im November wurden schon viele Veränderungen angestoßen.

Die Dokumentation „Auf der Jagd nach verlorenen Schätzen“ läuft am Dienstag, den 17.1., um 20.15 Uhr im ZDF.