Von Ingolf Reinsch und Carolin Barth
Gesperrt wegen Hochwasser. So steht es an der Straße Zum Wiesengrund in Bischofswerda. Wer weitergeht, kann sich schnell nasse Füße holen. Ein Teil der Gärten steht unter Wasser. Die viel zu tief liegende Fußgängerbrücke hinterm Wese- nitzsportpark ist schon seit Stunden überflutet. Astrid Stein, Enrico Reuß und ihre Nachbarn bangen um ihre Häuser. „Wenn das Wasser kommt, dann kommt es von den Gärten“, sagt Enrico Reuß aus der Erfahrung des Hochwassers von 2010.

Seit dem Montagmorgen haben Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr am Wiesengrund Dämme aus Sandsäcken aufgebaut. 250 Sandsäcke fürs Erste. Jetzt, am frühen Nachmittag, kommen noch einmal mehrere Autos und bringen weitere 400 Säcke. Feuerwehrleute und Anwohner bauen gemeinsam einen Damm entlang der Kleingärten. Er soll die gegenüberliegenden Wohnhäuser vor Überflutung schützen.
Bei der August-Flut 2010 stand das Wasser einen Meter in ihrem Keller, sagt Astrid Stein. Den Schaden von 20 000 Euro habe die Versicherung damals zwar reguliert. Aber gleich danach sei ihr die Versicherung gekündigt worden. „Wir haben nur das Nötigste saniert, es war keine Luxussanierung“, betont die Bischofswerdaerin.
Im August 2010 kam das Wasser über Nacht. Diesmal steigt die Wesenitz langsam. Bereits am Wochenende hatten Astrid Stein und Enrico Reuß begonnen, ihren Keller leer zu räumen und Sachen in Sicherheit zu bringen. „Ihr“ Klempner sei das ganze Wochenende über in Bereitschaft gewesen, berichtet Astrid Stein. Montagmorgen ließ sie das Blockheizkraftwerk in ihrem Keller, das neben Wärme auch Strom liefert, demontieren – vorsichtshalber.
Der Pegel der Wesenitz stieg bis zum Montagnachmittag in Bischofswerda auf 1,89 Meter – Hochwasserwarnstufe drei. Vor drei Jahren betrug die Höchstmarke 2,08 Meter. „Wir hoffen, diesmal mit einem blauen Auge davonzukommen“, sagt Astrid Stein. Nicht nur die Lage zu Hause in Bischofswerda bereitet ihr Sorgen. „Ich habe soeben einen Anruf von meiner Chefin aus Dresden bekommen. Unser Kindergarten in Dresden-Coschütz muss wahrscheinlich evakuiert werden“, sagt die Erzieherin.
113 Liter Regen pro Quadratmeter
Dietmar Pscheidt, Hobby-Meteorologe aus Goldbach, registrierte von Donnerstag bis Montagnachmittag insgesamt 113 Millimeter Niederschlag – das heißt 113 Liter Wasser auf den Quadratmeter. Das ist fast so viel wie beim August-Hochwasser 2010, als 115 Milliliter gemessen wurden. Mit einem großen Unterschied: Damals fielen diese Niederschläge in nur zwei Tagen. Seit Sonntag, dem 26. Mai, kamen in der Region Bischofswerda insgesamt 171 Milliliter Regen herunter. „Normal wären in dieser Jahreszeit rund 70 Milliliter im Monat“, sagt Dietmar Pscheidt.
Wiesen und Felder sind gesättigt; sie können keine neuen Wassermassen aufnehmen. In Bischofswerdas Innenstadt ist die Wesenitz randvoll. Unter anderem im Kollwitzpark schwappt sie über das Ufer. Unter Bischofswerdas Straßenbrücken sind am Montagnachmittag nur noch wenige Zentimeter Stauraum. „Wir kontrollieren die Brücken aller zwei bis drei Stunden. Das einzige, was wir in dieser Situation tun können, ist, Geröll und anderes angeschwemmtes Material zu beseitigen, damit das Wasser abfließen kann“, sagt Ortswehrleiter Sixten Mütterlein. Sollte die Wesenitz auch Brücken überspülen, müssten Straßen gesperrt werden. Danach sieht es am Montag noch nicht aus.
Außer zum Wiesengrund liefert die Feuerwehr Sandsäcke auch zur Straße am Mühlteich. Da wurde bei Glathes, deren Hauskeller vor drei Jahren ebenfalls mit Wasser vollgelaufen war, schon einige Stunden lang geräumt. Sohn und Enkel halfen Sonja und Manfred Glathe, den Keller auszuräumen und das Haus zu sichern. Waschmaschine und Wäschetrockner stehen seit der August-Flut 2010 35 Zentimeter höher im Keller. Die vom Hochwasser zerstörte Heizung wurde im Erdgeschoss neu installiert. Um das Haus ließen Glathes eine kleine Mauer zum Schutz vor Hochwasser errichten – ohne staatlichen Zuschuss. „Die Behörden sagten uns, unser Grundstück sei Überflutungsgebiet. Da hätten wir keinen Anspruch auf staatliche Förderung“, sagt Sonja Glathe.
Die jetzt 82-Jährige lebt seit ihrer Kindheit in diesem Haus. Seitdem habe sie mehrere Hochwasser erlebt. „Erst, seitdem die Wesenitz reguliert wurde und Überflutungsflächen am Stadtrand zugebaut worden sind, gibt es diese Probleme mit dem Hochwasser“, sagt die Seniorin. Dabei weiß sie, dass wir in Bischofswerda wahrscheinlich noch recht glimpflich davonkommen werden. „Schauen Sie nur mal nach Grimma oder Döbeln. Dort ist es viel schlimmer“, sagt Sonja Glathe.
Waschbären bekommen nasse Füße
Probleme gibt es am Montag auch im Bischofswerdaer Tierpark: Der hier verlaufende Hustengraben ist randvoll, wie Leiterin Silvia Berger auf Anfrage sagt. So stehen die Entenhäuser zur Hälfte unter Wasser. Den Fluten zum Opfer fielen Enteneier aus den Nistkästen. Aus ihnen werden nun keine Küken mehr schlüpfen. Überflutet ist auch das Gehege der Waschbären. Doch es hätte viel schlimmer kommen können. „Wir profitieren sehr stark von dem nun vergrößerten Abflussrohr in Richtung Dresdener Straße. Das hat sehr viel abgefangen“, sagt Silvia Berger. Noch habe man 20 Zentimeter Luft, bis das Wasser überschwappen und der Tierpark volllaufen würde. Silvia Berger will daran nicht denken. Sie hofft wie viele andere an Flüssen und Bächen auf Entspannung.
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