Von Peter Hilbert
Für Jürgen Scheible hat der Arbeitstag derzeit meist weit über zwölf Stunden. Anders gehe es nicht, soll das Schiff WGP wieder flott gemacht werden, schätzt der neue kaufmännische Geschäftsführer ein, der seit einem viertel Jahr am Steuer der Rathaustochter ist. Nach seinem Amtsantritt nahm der Experte die Geschäftszahlen des größten Wohnungsunternehmens des Landkreises genau unter die Lupe. Was er dort entdeckte, ließ ihn oftmals die Haare zu Berge stehen.
„Es sind sehr große Fehler gemacht worden, so dass wir jetzt kämpfen müssen, um überhaupt wieder Handlungsspielraum zu gewinnen“, sagt Scheible. An dem Verantwortlichen für das Desaster lässt er keinen Zweifel: Ex-Geschäftsführer Frieder Bahn. Er sei „einen sehr gefährlichen Kurs gefahren“. Bahn war vom Aufsichtsrat nach heftigen Auseinandersetzungen im September 2002 unsanft vor die Tür gesetzt worden. „Bisher war die WGP auf einem Gleis, an dessen Ende eine Felswand stand“, wird Scheible bildhaft.
So sei das Unternehmen immer stolz gewesen, dass auf dem Sonnenstein alle Häuser saniert worden sind. „Das war aber eine schwerwiegende Fehlentscheidung.“ Eine große kommunale Gesellschaft müsse für alle Einkommensgruppen entsprechende Wohnungen bieten. Viele Leute würden vier Wände mit preiswerten Mieten haben wollen. Und die gebe es bei der WGP in Pirna eben nicht ausreichend.
Schulden in letzten Jahren
explosionsartig gestiegen
Scheible nennt Konsequenzen: Zins und Tilgung für die horrenden Kredite seien aus dem Ruder gelaufen. Hinzu komme ein Leerstand von 15 bis 20 Prozent auf dem Sonnenstein. Und das seit Jahren. Ex-Geschäftsführer Bahn hatte den Leerstand gegenüber der SZ noch als „keineswegs so dramatisch wie in anderen Städten“ abgetan. Um kostendeckend zu wirtschaften, hätte die WGP auf dem Sonnenstein statt aktuell 4,50 bis 4,80 Euro sechs bis sieben Euro Miete verlangen müssen.
„Die Schulden sind in den letzten Jahren explosionsartig gestiegen“, so der WGP-Chef. Lagen die Verbindlichkeiten gegenüber Banken 1992 noch bei 83 Millionen Mark, so seien es Ende 1995 rund 269 Millionen Mark gewesen. 2001 stand dann schon die stattliche Summe von 373 Millionen Mark zu Buche. „Es waren noch Sanierungen geplant, die der Firma den Garaus gemacht hätten“, sagt Scheible.
Auch beim Kredit-Management seien zahlreiche handwerkliche Stockfehler gemacht worden. Gegenüber Banken wäre kaum Transparenz bei Jahresabschlüssen, Planungen und Investitionen gezeigt worden. „Demzufolge wurde die WGP als riskant bewertet“, so der Geschäftsführer. Die Konsequenz: Die Zinsen stiegen. Das habe jährlich sechsstellige Summen ausgemacht.
WGP-Mieter sollen als
Kunden behandelt werden
Scheible und sein Kompagnon Matthias Armbruster steuern nun gegen. „Wir haben die WGP wieder aufs richtige Gleis gesetzt.“ Mit Gläubigerbanken sei gesprochen und Transparenz geschaffen worden. „Der Schuldenabbau ist unsere wichtigste Aufgabe“, sagt der WGP-Chef. Dies sei die Voraussetzung, dass das Unternehmen seine Aufgaben erfüllen und in einigen Jahren wieder investieren kann. Außerdem will die WGP wesentlich mieterfreundlicher werden. Die Vermietung wird neu organisiert. In jede Geschäftsstelle kommt eine Fachfrau. Damit sei dort ein Team, so dass jede Filiale wie eine kleine Firma funktionieren kann. In der Zentrale wird ein Beratungszentrum eingerichtet. Somit müssen die Kunden nicht durchs ganze Haus.
Auch Oberbürgermeister und WGP-Aufsichtsratschef Markus Ulbig (CDU) atmet nach den harten Monaten der Wirren um das Unternehmen auf. „So eine klare und nüchterne Analyse war bitter nötig. Ich bin überzeugt, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind“, sagt er. Nun müsse das teilweise zerstörte Vertrauen der WGP-Mieter wieder gewonnen werden. Solche Veränderungen sollten auch als Chance begriffen werden. Letztlich müsse die Botschaft sein: „In Pirna lohnt es sich zu wohnen und zu leben.“