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Widerspruch ist zwecklos

Biografie. Ingeborg Gröschel de Luna hat Tanz in Dresden studiert. Jetzt lebt sie in Peru und gedenkt der alten Zeiten.

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Von Ivette Wagner

Ihr zu widersprechen lohnt sich nicht. Ingeborg Gröschel de Luna beharrt auf ihrem Standpunkt. „Jeder ist ein Künstler“, sagt sie. „Ich habe schon viele dazu gebracht, das in sich zu erkennen.“ Punkt. Aus. In der Welt der Musen kennt sie sich aus. Schließlich ist sie ausgebildete Tänzerin, arbeitete viele Jahre als Solistin. Entertainer Rudi Carrell wählte sie für eine seiner Shows aus. „Er war damals auf der Suche nach schönen Frauen“, sagt sie. Ihr Lächeln nach diesem Satz lässt jeden Fotografen schwach werden, denn es ist einfach perfekt.

Mit ihren Armen erzählt Ingeborg Gröschel de Luna die Geschichten, die wohl nur sie versteht. Sie greift sich an ihr Herz, fährt mit einer Hand später an ihrem Arm herab, steckt eine Strähne unter ihr Haarband. Wie eine Diva. „Das bin ich ganz sicher nicht“, sagt Ingeborg Gröschel de Luna. „Überhaupt nicht.“ Lieber kramt sie aus ihrer Tasche einen Zeitungsartikel hervor. Aus dem Jahr 1957.

Ein perfektes Lächeln

Er zeigt Schülerinnen der Palucca-Schule beim Training. Mit dem Finger zieht sie Kreise auf dem Papier, hält schließlich an. „Da, das da bin ich.“ In Dresden habe sie getanzt, in Mainz sei sie schließlich zur Solistin geworden. Wieder ist das perfekte Lächeln auf ihrem Gesicht. Nun galoppiert sie in ihrem Lebenslauf nach Köln. Zum Karneval. „Da habe ich meinen Mann kennengelernt“, sagt Ingeborg Gröschel de Luna. Einen Südamerikaner. Sie als Meerjungfrau, er als ihr Märchenprinz. „Abenteuer waren schon immer mein Ding“, sagt sie. Dazu passt, dass sie sich schnell verlobt, schnell schwanger wird.

Mit einem Schiff geht es dann – das ist jetzt 38 Jahre her – nach Peru. Nach dem ersten Sohn bekommt sie noch zwei Jungs. „Das ist der schönste Job auf der ganzen Welt“, sagt Ingeborg Gröschel de Luna. „Aber irgendwann reichte es nicht mehr, nur Mutti und Vorzeigefrau zu sein.“ Eine Exotin ist sie in ihrem neuen Heimatland. Doch die Anerkennung fehlt ihr. Der Glanz, das Publikum.

„Ich wurde krank. Mein Arzt bestimmte, dass ich vom Herd weg und endlich wieder tanzen soll.“ In Windeseile eröffnet sie ein Tanzstudio, das schnell sehr erfolgreich ist. Die politische Situation in Peru entwickelt sich aber nicht nach den Wünschen der Familie. „Wir beschlossen, dass wir gehen, wenn das Land so umschlägt.“ Zurück nach Köln. Wieder gehört ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem neuen Ballettstudio. Der Ehemann kann mit der Erfolgsgeschichte seiner Frau nicht mithalten, geht in sein Heimatland zurück. „Meinen Söhnen fehlte der Vater“, sagt Ingeborg Gröschel de Luna. „Ich hatte keine Chance.“ Sie packt die Koffer, zieht nach Peru. Wieder eröffnet sie eine Schule. „Ich weiß, dass das alles sehr wild klingt“, sagt sie. „In den Momenten waren es aber immer die richtigen Entscheidungen.“ Jetzt hat sie ihren Lebensmittelpunkt in Peru. Die Kinder sind aus dem Haus. Aber mindestens zweimal im Jahr reist Ingeborg Gröschel de Luna nach Deutschland. Nun auch wieder nach Dresden. „Eigentlich wollte ich hier ein Haus kaufen und eine Schule eröffnen“, sagt sie. „Das werde ich jetzt aber nicht tun, ich werde hier zu sehr bevormundet.“ Damit ist das Thema für sie abgeschlossen.

Doch die Reisen an alte Wirkungsstätten sind für sie wichtig. Weil im Alter die Wurzeln rauskommen, und weil Ingeborg Gröschel de Luna staunen will. „Ich kenne viele Städte, aber Dresden ist eine der schönsten.“ Nein, das sei kein nur so dahin gesagtes Kompliment. Dieses komme von Herzen.

Doch zu lange kann Ingeborg Gröschel de Luna wohl nicht an einem Ort sein. Sie muss weiter. Nach Köln. Eine Stadt, mit der sie ebenfalls viele Erinnerungen verbinden. Schnell ist sie aber wieder an der Elbe. Schimpft über die vielen Baustellen, die manchmal etwas unfreundlichen Menschen.

Und da ist sie schon bei ihrer Aufgabe. Denn Ingeborg Gröschel de Luna gibt jetzt Yoga- und Shiatsu-Kurse. Für die Seele. „Ganz sicher brauchen die Menschen hier so etwas“, sagt sie. „Alle sind in Deutschland viel zu hektisch und vertrauen sich zu wenig.“ Sie setzt wieder ihr schönes Lächeln auf. Was so viel bedeutet wie: Widerspruch zwecklos.