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Nicht erst seit Hanau: Wie aus Worten Taten werden

Viele Opfer in Hanau waren Zuwanderer, von manchen nur „Messermigranten“ genannt. Wie gefährlich Sprache sein kann - ein Gastbeitrag.

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Der Täter von Hanau mag auch psychische Probleme gehabt haben. Über die Motive seiner Tat schreibt er jedoch in der Sprache der Rechten.
Der Täter von Hanau mag auch psychische Probleme gehabt haben. Über die Motive seiner Tat schreibt er jedoch in der Sprache der Rechten. © Andreas Arnold/dpa

Von Eric Wallis

Schau mal, auf deiner Schulter sitzt ein Insekt! Wer das hört, wird sich vermutlich bangend fragen: Kann es stechen, saugt es Blut? Oder aber: Auf deiner Schulter sitzt ein Schmetterling – wer das hört, wird sich freuen und das Smartphone zücken, um ein Selfie zu machen. Je nachdem, in welchen Rahmen ich bestimmte Sachverhalte einbette, entstehen daraus unterschiedliche Verhaltensimpulse.

Interessant ist: Keine dieser Äußerungen argumentiert oder versucht, zu überzeugen. Dennoch bleiben Überzeugte zurück. Die erste Äußerung schafft einen Besorgten. Die Zweite einen Erfreuten. Noch interessanter: Beide Äußerungen sind wahr. Willkommen in der Welt des Framings (engl: Rahmen). Dessen Mechanismus besteht nicht im Lügen, sondern im geschickten Aus- und Einblenden von zur Wahrheit gehörenden Informationen. Ist Framing also bloße Manipulation? Nein.

Die ganze Welt ist geframed, allein schon durch die Augen, durch die wir alle gerade blicken. Bereits beim Planen des Familienurlaubs, wenn wir unsere Idee durchsetzen wollen, stehen wir vor einer Framing-Aufgabe. Wir wollen nach Malle, aber unser Partner liebt die Natur. Entweder können wir versuchen, unsere Idee mit aller Kraft durchzusetzen, womit wir aber einen offenen Konflikt mit allen Konsequenzen riskieren. Oder wir zeigen unserem Partner wunderschöne Internet-Bilder all der einsamen und entlegenen Ecken Mallorcas, Natur pur.

Gehen wir so vor, ist es wahrscheinlicher, dass wir unser Ziel erreichen. Denn wir haben die Geisteswelt unseres Partners zur Voraussetzung unserer eigenen Kommunikation gemacht. Wir haben mit Bildern und Worten einen Rahmen geschaffen, in dem sich unser Partner wohlfühlt. Wir haben so unseren Einfluss zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels vergrößert. Wir alle sind also Framing-Experten.

Dieses „private“ Framing ist recht harmlos. Beim politischen Framing aber geht es darum, nicht einzelne Individuen zu steuern, sondern Massen. 

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