Von Hartmut Landgraf
Pfaffendorf, 20. September 2007, 21.15 Uhr. Ein Schuss hallt durch die Dunkelheit. In einer mickrigen Kiefernschonung hoch über dem Ort wird Geschichte geschrieben. Ein junger Keiler kommt drin vor. Und ein Bundespräsident.
Zwar werden sich die beiden erst gut zwei Wochen später auf einer Wiese an den Schrammsteinen begegnen – der eine gegrillt, der andere hungrig. Aber hier auf den Hügeln über Pfaffendorf nimmt alles seinen Anfang. Seit fast zwei Stunden hockt Peter Hatzirakleos auf seinem Hochsitz. Wer jagen will, muss warten können. Der Cunnersdorfer genießt die Ruhe draußen im Busch. „Da hast Du Zeit zum Nachdenken.“ Eine Ricke mit Kitz huscht vorbei, der Wind säuselt im Gezweig, die Kippen stecken in der Jackentasche – genug Abwechslung für einen Abend.
Neun Jahre pirscht Hatzirakleos nun schon durch die Wälder um Pfaffendorf und Königstein, und ausgerechnet heute – wo er den Treffer seines Lebens landen wird – macht es ihm die Beute denkbar einfach: In aller Seelenruhe tappt der Keiler an der für ihn ungünstigsten Stelle aus dem Schutz der Bäume, keine 20Schritte vom Hochsitz entfernt. Dort hat Peter Hatzirakleos zwei Handvoll Mais ausgestreut, um seine Beute „anzukirren“, wie er sagt. Zur Henkersmahlzeit finden sich noch zwei weitere Keiler ein, der Mann auf dem Hochsitz hat Zeit, sich jenes auszusuchen, „das für einen präzisen Schuss am besten stand“.
Doch was er dann mit einem sauberen Blattschuss zur Strecke gebracht hat, wird dem Jäger erst Tage später klar, als ihn ein Cunnersdorfer Gastwirt sehnlichst um den Inhalt seiner Tiefkühltruhe anfleht. Der Wirt braucht dringend ein saftiges Wildschwein für den hohen Gast des Bad Schandauer Nationalparkamts: Bundespräsident Horst Köhler. Und Hatzirakleos hat eins: Einen „Überläufer“ – anderthalb Jahre zart und 65 Kilo stramm. Eigentlich habe er damit eine andere Tischgesellschaft versorgen wollen, erzählt er. Doch am Ende lässt er sich erweichen, und sein Schwein kommt am 5. Oktober im Nationalpark gut befeuert zu allerhöchsten Ehren.
Dass ausgerechnet ein Cunnersdorfer Jäger dem Bundespräsidenten in der Sächsischen Schweiz einen Mittags-Happen ans Messer liefern würde, war nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Die Jagd habe in seinem Dorf seit Jahrhunderten Tradition, erzählt Peter Hatzirakleos. „Auf 500 Einwohner kommen bei uns 28 Jäger, das dürfte bundesweit Spitze sein.“