Von Andreas Kirschke
Ostersonnabend entstand sie. Zwölf Gründungsmitglieder gehörten ihr in Cottbus an. Die Wendische Volkspartei (Serbska Ludowa Strona) strebt den Status einer Minderheitenpartei an. Für Witaj in Kindergärten, für stärkere Brauchtumspflege, auch für Alternativen zur Kohleverstromung tritt sie ein. „Wir wollen das slawische Volk nicht spalten: wir verstehen uns als Ergänzung zur Domowina“, sagte Vorsitzender Hannes Kell im SZ-Gespräch. Macht die Gründung dieser Partei Sinn? Eröffnet sie Wenden und Sorben neue Chancen? Wie glaubwürdig sind die Ziele? Wir fragten an der Basis:
Erika Jahn, Dissen
Die Idee einer neuen Interessenvertretung finde ich gut. Denn der Domowina lastet noch viel die rote Vergangenheit an. Man muss abwarten, wie viel Kraft diese neue Partei entwickelt, um sich zu profilieren. Man sollte sie nicht vorverurteilen. Auf jeden Fall müsste sie ihre Ziele bekannter machen.
Bernd Pittkunings, Dissen
Ich sehe keine Basis im wendischen Volk. Zuerst hätte man doch eben die Basis fragen müssen. Erst dann gründet man doch eine Partei. Ich halte den Schritt für nur ärgerlich und schadend. Es gibt genügend Strukturen und Organisationen, wo man sich engagieren kann. Und das viel professioneller. Etwa in der Domowina und in Umweltverbänden. Die Mitglieder der Partei sollten hier mitmachen. Alles andere halte ich für Wichtigtuerei und Profilsucht. Mit zwölf Mitgliedern ist man keine Volkspartei.
RenE Schuster, Lacoma
Die Gründung einer Partei könnte unter Umständen Sinn machen, wenn regionale Interessen im Fraktionszwang der großen Parteien untergehen. Alleinvertretungsansprüche (nicht nur der Domowina) gehören nicht mehr in unsere Zeit. Bei der Gründung dieser Partei allerdings erkenne ich die Perspektive noch nicht. Ich arbeite gerne mit jedem zusammen, der konkrete Handlungsansätze für eine bessere Energiepolitik verfolgt. Ob das hier der Fall ist, weiß ich noch nicht. Meine Befürchtung ist, dass hier zuerst der Wunsch da war, politischer Vertreter eines Volkes zu sein, und danach, sozusagen als nötiges Übel, Inhalte aus dem Ärmel gezaubert werden mussten. Dann wäre das Pferd von hinten aufgezäumt und die Pleite vorprogrammiert.
Juro Frahnow, Peitz
Ich war überrascht. Auch über die Oberlausitzer, von denen einige – animiert durch den SSW in Schleswig-Holstein – am liebsten selbst schon eine Parteigründung erwogen. Das Grundanliegen der Wendischen Volkspartei ist nicht verkehrt. Ich habe jedoch keine Hoffnung, dass sie an Basis gewinnt. Schon aufgrund der Erfahrungen mit „Po-Naschemu“ als Verein und der „Weißen Liga“ als Partei. Sie gewannen keine Basis. Und deshalb sehe ich keine große Aussicht.
Sigrid Bolduan, Kl.-Loitz
Wozu eine neue Partei? Das macht keinen Sinn. Weder von der personellen Besetzung noch von den Zielen. Es sind alles Anliegen, die die Domowina schon jahrelang vertritt. Ich lebe seit 1968 in der Lausitz. Seit Jahren engagieren wir uns in der Domowina-Ortsgruppe für sorbisches Brauchtum – etwa für den Brauch des Neujahrsgeschenks „Nowa Letka“ oder für den Zapust. Wir brauchen keine neuen Interessenvertreter.
Fryci Woito, Drachhausen
Wir Wenden haben andere Sorgen. Etwa die tagtäglichen Probleme des Spracherhalts, die Überzeugung der Kinder, Jugend und Eltern für Witaj. Das sind doch die Fundamente. Die neue Partei bringt nur Unruhe. Vor allem für Außenstehende, die auf uns schauen und sich fragen: wissen die noch, was sie wollen? Ich erkenne keine neuen Inhalte. Alle Anträge, Vorstellungen kann man in der Domowina bis hin zur Spitze im Sorbenrat des Landes vorbringen. Ich staune, wie viele Gremien sich mit viel Aufwand mit einer solchen Kleinigkeit befassen. Mit zwölf Leuten! Ich will nicht, dass die unwichtigen Dinge plötzlich zum Wichtigen gemacht werden.“
Jurij koch, cottbus
Ich akzeptiere die Entscheidung. Ich werde die Partei auch nicht bekämpfen oder behindern. Bei Wahlen dürfte sie jedoch kaum Chancen haben. 1990 gab es schon einmal einen solchen Versuch. Die Domowina trat damals zur Landtagswahl in Brandenburg an. Sie blieb unter 2000 Stimmen. Für ein Mandat wären aber 20 000 Stimmen die Mindestanforderung. Meiner Meinung nach sollten sich die Wenden in etablierten Parteien engagieren – auf kommunaler, regionaler wie auf Landesebene. Im Programm der Wendischen Volkspartei sehe ich keine neue Idee.
Margit altkrüger, Sielow
Dass sich hier jemand einsetzen will, ist grundsätzlich gut. Ein sehr mutiger Schritt. Es sind heimatverbundene Leute. Ich würde da keine Wichtigtuerei unterstellen. Man sollte die Initiative nicht bremsen. Wichtig ist doch, wen die Partei mit ins Boot holt, mit wem sie zusammenarbeiten will. Fraglich ist jedoch, ob sich alle – die sich als Wenden bekennen – letztlich diese Partei auch wählen würden.