Von Ines Eifler
Es ist beinahe Glück und Zufall, dass Olga Tokarczuk Zeit hatte, der Einladung zum Schlesischen Nach(t)lesen zu folgen. „Denn sie ist gerade erst aus Indien zurück, wo ein Buch von ihr auf Hindu erschienen ist“, erzählt Thomas Maruck. Der Schlesienkenner ist mit der polnischen Schriftstellerin seit Jahren befreundet und half jetzt Annemarie Franke, die als Kulturreferentin für Schlesien das Nachtlesen organisiert, Tokarczuk für die Görlitz-Zgorzelecer Literaturveranstaltung zu gewinnen.
Es war schon in den 90ern, dass Maruck von dieser damals noch jungen Autorin erfuhr, die ihre Romane und Erzählungen in Schlesien ansiedelte und in einer ganz neuen Sichtweise darüber schrieb. Nämlich aus der Perspektive junger Polen, die sich auf ganz eigene, aus den Haltungen gegenseitiger deutsch-polnischer Schuldzuschreibungen heraustretende Weise der Landschaft, der Identität und den Mythen Schlesiens näherten. Maruck sagte sich damals: „Das Mädel muss ich finden!“, und lernte Olga Tokarczuk auf der Leipziger Buchmesse kennen. Als das Schlesische Musikfest 2001 anstand, nutzte er die Gelegenheit, sie für eine Lesung in die Comenius-Buchhandlung einzuladen, deren Chef er damals noch war. „Seitdem treffen wir uns regelmäßig“, sagt er. Meist in Breslau, wo Olga Tokarczuk lebt und auch Magdalena und Thomas Maruck eine Wohnung haben. „Doch nun fanden wir, es ist Zeit, dass sie mal wieder in Görlitz vorbeischaut.“
Als Annemarie Franke begann, nach Texten, Lesern und Räumen für das Nachtlesen zu suchen, schlugen ihr die Marucks vor, Kontakt aufzunehmen, und Olga Tokarczuk sagte gerne zu. Zur Eröffnung liest sie aus ihrem Thriller „Fledermäuse“. Am Abend wird sie dann im Przy Jakubie auf der polnischen Seite der Stadt aus ihrem preisgekrönten Roman „Unrast“ lesen. Da sie selbst kein Deutsch spricht, trägt ihr Mann die Übersetzungen ihrer Texte vor.
Aber es gibt morgen natürlich noch viel mehr zu erleben als Olga Tokarczuk. Etwas Besonderes ist der im Riesengebirge spielende Roman „Hänschen Tunichtgut“ der „Nesthäkchen“-Autorin Else Ury. Gabriele Kretschmer wird ihn im Zirkusladen unter den Arkaden der Neißstraße lesen. Oder auch die Jakob-Böhme-Lesung, die Sabine Euler als Görlitzer Böhme-Liebhaberin und Beata Zygmuntowicz, eine Schauspielerin, die im Dom Kultury arbeitet, im Vino e Cultura auf dem Untermarkt gestalten. Einen Ausblick auf die große Adelsausstellung kann man im Schlesischen Museum wie auch im Biblischen Haus bekommen.
Für Annemarie Franke ist es das erste Mal, dass sie das Schlesische Nach(t)lesen organisiert. Voriges Jahr war Max Eiden noch Kulturreferent, und das Touristbüro i-vent war mit im Boot. Der neuen Kulturreferentin war es wichtig, da zu verändern, wo es früher Schwachstellen gab. So hat sie Orte gewählt, die noch näher beieinanderliegen als bisher. Die äußersten Punkte sind diesmal der Klosterplatz, das Mollerhaus und eine kleine Pension am Zgorzelecer Töpferberg. Auch hat sie bewusst Leser aus Zgorzelec für Görlitzer Orte gewonnen, „in der Hoffnung, dass sie eine Menge polnisches Publikum mitbringen“, sagt sie. Denn bisher kamen vor allem deutsche Zuhörer. Und sie hofft, dass Olga Tokarczuk für viele eine Bereicherung ist. „Denn ich habe den Eindruck, dass manche Schlesienfreunde sie noch gar nicht kennen.“
Eröffnung 17.30 Uhr Augustum-Aula, Klosterplatz, ab 19 Uhr rotierende Lesungen an 13 Orten, Programme/Karten: i-vent, Schlesische Schatztruhe, Schlesisches Museum