Von Bernd Goldammer
Radeberg. Große Beachtung findet die aktuelle Ausstellung „Gut behütet“ im Radeberger Schloss Klippenstein. Kein Wunder, hier geht es um den Aufstieg von gewöhnlichem Stroh als Rohstoff für die Modeindustrie mit Radeberg als einen der wichtigsten Produktionsstandorte.
Anstoß zu der Ausstellung gab eine wissenschaftliche Arbeit von Bernd Rieprich. Im Heft 15 der Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte veröffentlichte er die Geschichte der Hutindustrie und brachte den Stein ins Rollen. Mit wissenschaftlicher Akribie leuchtete er 67 Jahre Strohhut-Fabrikation in Radeberg und in Sachsen aus. Seine Arbeit fand große Beachtung und wurde zum Ausgangsmaterial der Ausstellung „Gut behütet“, die im Saal und im Südflügel des Schlosses präsentiert wird.
1883 hatte Ernst Eduard Köckritz das erste Gewerbe für die Herstellung von Stroh- und Damenfilzhüten in Radeberg angemeldet. Wenige Jahre später waren es bereits zehn Betriebe. „In Sachsen entwickelte sich die industrielle Strohhutherstellung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die schnell erstarkende industrielle Massenproduktion verdrängte das Handwerk und auch die kleinen Manufakturen“ ist in Bernd Rieprichs Arbeit zu lesen.
Wer mithalten wollte, musste in Fabriken mit modernen Maschinen und vielen Arbeitskräften produzieren, um die riesigen Stückzahlen produzieren zu können. Laut Bernd Rieprich gab es bereits um 1860 um die 60 Strohhutfabriken in Dresden, sachsenweit firmierten schon vor dem Ersten Weltkrieg rund 100 Strohhuthersteller. Strohhüte aus Radeberg konnten sich auf den Modemärkten gut behaupten. Immerhin brachte es die Firma Wagawa & Crönert aus Radeberg um 1915 schon auf 1,5 Millionen Stück pro Jahr. „Die 27 Industrie- Nähmaschinen waren gut ausgelastet. Vielen Familien der Stadt hatten durch Hutmode ein festes Einkommen, und reichlich Steuern flossen auch. Über den Radeberger Bahnhof kamen täglich 300 bis 400 Wareneinheiten in ein deutschlandweites Vertriebsnetz. Alljährlich wurden Sommer- bzw. Winterkollektionen präsentiert. Das waren überregionale Kulturereignisse, die eine modebewusste Klientel in die Bierstadt lockte und Radeberg eine strahlende Sonderstellung im Umland der Landeshauptstadt gab. Das hielt sich über die Kriegszeiten. Erst 1950 ging die Geschichte der Radeberger Strohhüte zu Ende. Mode war in diesen Jahren kein Thema im östlichen Nachkriegsdeutschland. Ein besonderer Teil der Ausstellung birgt auch Exponate der Moritzburger Exposition „Stroh zu Gold“. „Diese Sonderausstellung begeisterte 2016 und 2017 im Besucherzentrum am Fasanenschlösschen Moritzburg viele Besucher“, war von Margitta Hensel, der dortigen Kuratorin, am Eröffnungstag zu hören.
Letzter Tag dieser sehenswerten Schau ist der 3. Oktober. Eine weitere Seite der Industrie- und Landwirtschaftsgeschichte ist durch das Team von Schloss Klippenstein sichtbar gemacht worden.