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Wie sind die Neuen?

Die Podiumsdiskussion zur Ausstellung der Projektgruppe Zwangsarbeit offenbart, dass Vorurteile und Unwissenheit noch immer eine große Rolle spielen.

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Von Kevin Schwarzbach

Als 50 Asylbewerber in Leipzig dezentral untergebracht werden sollen, geht ein Aufschrei durch Teile der Leipziger Bevölkerung – Bürgerinitiativen formieren sich. Es herrscht vor allem Skepsis. So geschehen im Sommer vorangegangenen Jahres, wie Sandra Münch, Chefin des Vereins Bon Courage, berichtet. Doch wie stehen die in einer Kleinstadt – wie beispielsweise Gröditz – lebenden Menschen knapp ein Jahr später zu dieser Problematik?

Am vergangenen Samstagnachmittag fand in der Kulturstätte Wolf in Gröditz eine auf die Ausstellung der Gröditzer Projektgruppe Zwangsarbeit Bezug nehmende Podiumsdiskussion zum Thema „Ausländer – damals, heute, morgen“ statt. Rund 30 interessierte Zuhörer, darunter einige tschechische Schüler, verfolgten die Beiträge der fachkundigen Redner und brachten auch ihre eigenen Gedanken ein.

„Ich habe mich über den Vorschlag der Projektgruppe, diese Ausstellung zu gestalten, sehr gefreut“, erklärt der Gröditzer Bürgermeister Jochen Reinicke (parteilos). Uwe Jahn, Betriebsratsvorsitzender der Schmiedewerke Gröditz, erklärt derweil, dass er anfänglich eher skeptisch war. „Zuerst wusste ich nicht genau, wo diese Ausstellung hinführen soll – das Thema ist schon oft abgearbeitet wurden“, so Jahn. „Doch als ich die intensive Beteiligung der vielen Gröditzer Jugendlichen sah und bemerkte, welche Nachhaltigkeit dieses Projekt mit sich bringt, wurde mir klar, welchen Wert die Ausstellung hat“, sagt Jahn.

Die aufkommende Euphorie bekommt jedoch einen kleinen Dämpfer – von den Gröditzer Bürgern. Eine von Gröditzer Mittelschülern durchgeführte Straßenumfrage wird per Video eingespielt. Es dauert nicht lange, bis das erste verständnislose Raunen durch die Menge geht. „Die Ausländer können hier gern kurz leben, aber irgendwann sollten sie schon wieder gehen“, sagt eine ältere Frau im Video. Ein Mann geht sogar noch weiter: „Ausländer? Die brauchen wir hier nicht.“ Als das Video zu Ende ist, wird klar: Mit dieser Ansicht steht er nicht alleine da. Für einen kurzen Moment herrscht Stille im Saal – manch Anwesender wirkt wie paralysiert. Dann durchbricht Uwe Jahn die Stille und ergreift das Wort. „Es ist schockierend, so etwas zu hören. Doch wichtig sind mir auch die Gegenpositionen“, meint er. Damit nimmt er vor allem Bezug auf eine Frau mittleren Alters, die sich ganz klar positioniert: „Die Gröditzer sind viel zu intolerant, doch das ist oft so. Jeder hat das Recht, dort zu leben, wo er möchte.“

Letztendlich werden verschiedene Probleme im Umgang mit Asylanten deutlich. „Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, in der wir vor lauter Egoismus nichts mehr abgeben wollen“, meint Reinicke. „Die Menschen aus dem Video sind keineswegs Rassisten. Aus ihnen spricht nur die Unwissenheit. Dagegen müssen wir ankämpfen“, sagt Martin Döring von der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

Sandra Münch hofft indes auf ein Umdenken: „Diese ganzen Vorurteile in unseren Köpfen müssen verschwinden. Wir müssen unsere Furcht ablegen und diese Menschen kennen und schätzen lernen – endlich weg von diesem Begriff Asylanten, hin zu einem gemeinsamen Wir“.