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Kirschau: Blitz-Abriss wegen Einsturzgefahr

Innerhalb weniger Tage wurde der Gasthof "Goldener Stern" abgetragen. Jetzt gibt es bereits erste Ideen für die Zukunft des Areals.

Von Franziska Springer
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Das Ortszentrum von Kirschau bietet ohne den Goldenen Stern einen ungewohnten Anblick. Auch für Bürgermeister Sven Gabriel. Er sieht aber große Chancen für das Areal.
Das Ortszentrum von Kirschau bietet ohne den Goldenen Stern einen ungewohnten Anblick. Auch für Bürgermeister Sven Gabriel. Er sieht aber große Chancen für das Areal. © SZ/Uwe Soeder

Kirschau. Im Zentrum von Kirschau klafft ein Loch. "Es sieht jetzt richtig leer dort aus, auf einmal hat man Weitsicht – und sieht erst einmal, wie groß das Gebäude überhaupt war", sagt Sven Gabriel (FDP), Bürgermeister von Schirgiswalde-Kirschau, und meint Kirschaus einzige Ampelkreuzung. Hier, wo sich die Callenberger und die Bautzener Straße treffen, dominierte das Gasthaus "Goldener Stern" viele Jahre lang das Bild. 

Halt! So lange sei das genaugenommen gar nicht gewesen, sagt Gabriel und zückt eine handgeschriebene Postkarte. Akribisch hat ein Ortschronist darauf die wichtigsten Eckdaten des Goldenen Sterns notiert: "1893 fand der Stern erstmals in einem kleinen Zeitungsartikel Erwähnung. 1919 bis 1920 ließ A. Wemme den Stern in heutige Form umbauen", ist dort zu lesen.

Bevor der Stern gebaut wurde, heißt es außerdem, habe an dieser Stelle die Kleine Schänke gestanden – ein Gasthaus mit eigener Zollstation. "Der Stern ist also nicht das historische Gebäude", sagt Gabriel. Identitätsstiftend sei der Bau, den Kirschau um das Jahr 2006 herum für unter 10.000 Euro erwarb, daher eher nicht gewesen.

Weil ein Teil des Daches vom Traditionsgasthaus "Goldener Stern" eingebrochen war, war Gefahr im Verzug.
Weil ein Teil des Daches vom Traditionsgasthaus "Goldener Stern" eingebrochen war, war Gefahr im Verzug. © SZ/Uwe Soeder

Der Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes sei dennoch für Stadtverwaltung und Einwohner überraschend gekommen. Der Einsturz einer Dachkehle habe sich negativ auf die Stabilität der Immobilie ausgewirkt. Ein statisches Gutachten der Bauaufsicht habe ergeben, dass das Gebäude einsturzgefährdet sei.

Prompt kam die Abrissanordnung des Landkreises. Eine Woche später begannen die Arbeiten unter Absperrung der Kreuzung an der Ortsdurchfahrt. 70.000 Euro hat die Maßnahme die Stadt gekostet. Fördermittel gab es aufgrund der schnellen Umsetzung dafür nicht.

Nunmehr haben schwere Bagger Tatsachen geschaffen. Am Donnerstag vor Ostern war nur noch ein sandiges Baufeld, wo einst der stolze Stern stand. "Wir müssen uns jetzt komplett neue Gedanken machen", sagt Sven Gabriel und verweist auf das Pflegekonzept, dass Schirgiswalde-Kirschau gemeinsam mit den Nachbargemeinden Cunewalde, Großpostwitz und Sohland erarbeitet hat. Der Goldene Stern sei darin als Standort für Altenpflege-Projekte fest vorgesehen. Offen blieb, ob das Konzept in einem sanierten oder einem neu errichteten Gebäude umgesetzt werden sollte.

Abriss und Neubau aber habe die Stadt nie in Erwägung gezogen, sagt Gabriel. "Das Gebäude stand unter Denkmalschutz und für die Sanierung vorhandener Bausubstanz bekommt man ganz andere Fördermittel als für einen Neubau." Die große Aufgabe sei es daher nun, die Idee neu zu entwickeln. 

Schweres Gerät war notwendig, um das 100 Jahre alte Gebäude in nur wenigen Tagen abzureißen und somit Platz für einen Neubau zu schaffen. Für den gilt es nun, einen Investor zu finden.
Schweres Gerät war notwendig, um das 100 Jahre alte Gebäude in nur wenigen Tagen abzureißen und somit Platz für einen Neubau zu schaffen. Für den gilt es nun, einen Investor zu finden. © SZ/Uwe Soeder

Den Neubau versteht Gabriel inzwischen als große Chance: "Die Räume im alten Stern waren ja total verschachtelt. Man war in der Kubatur des Gebäudes gefangen." Nun gelte es, etwas zu schaffen, was funktional ist und außerdem ins Ortsbild passt. Dabei, so Gabriel, müsse die Bevölkerung unbedingt mitgenommen werden. "Man kann so etwas schließlich historisch bauen oder als runde Kugel. Das können wir nicht allein entscheiden", sagt er.

Unstrittig ist für ihn hingegen der Standort: "Der ist einfach genial. Entstehen sollen altengerechte Wohnungen. Mit Apotheke, Ärztehaus, Sparkasse und Bushaltestelle in direkter Nachbarschaft sind die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter nahezu ideal."

Abgesehen davon sieht Gabriel im Kirschauer Ortszentrum alle Voraussetzungen erfüllt, um seine ganz eigene Vision von altengerechtem Wohnen umzusetzen: In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Gasthofes befindet sich das Jugendhaus der Gemeinde. "Mir schwebt eine Verbindung von jungem und altem Leben vor", sagt er, lenkt aber ein: "Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Zeit dafür hier auf dem Land schon reif ist. Aber wer weiß? Vielleicht ist sie es in fünf Jahren."

So groß die Visionen des Bürgermeisters auch sind: Seine Stadtverwaltung kann sie nicht realisieren. "Die Zeiten, in denen es für alles Fördermittel gab, sind vorbei. Und selbst wenn, sind diese eher ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es um wirklich große Bauprojekte geht." Der Bau von Pflege- und Wohneinrichtungen, so Gabriel weiter, sei keine Pflichtaufgabe einer Stadt oder Gemeinde und hätte daher gegenüber anderen Vorhaben keine Priorität.

Er hofft deshalb auf einen Investor und versichert diesem: "Die Stadt will mit dem Grundstück kein Geld verdienen!" Am liebsten wäre dem FDP-Mann ein Unternehmer aus der Region. "So jemand könnte sich ein Denkmal setzen, wenn er so offensichtlich Verantwortung für seine Gemeinde übernimmt", sagt er. Gleichzeit ist ihm aber bewusst, dass nicht nur der Bau, sondern auch der Unterhalt eines solchen Angebots ein hohes Risiko beinhaltet: "Es herrscht Personalmangel – die Frage ist immer, ob man eine solche Einrichtung am Ende auch betreiben kann." 

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