Von Marco Mach
Wer das Hinterhaus an der Fabrikstraße 60 in Radebeul-Naundorf betritt, fühlt sich wie in einer anderen Zeit. Klein und fein ist es hier. Bunt und vor allem gemütlich. An den Wänden findet sich alles, was das Bastel- und Handarbeitsherz begehrt. Dazwischen alte Sessel, eine Nähmaschine als Tisch und ein nostalgischer Küchenherd. Davor ein Schild mit der Aufschrift: „Handy und Computer aus, unter’s Sofa mit der Maus, komm mal raus aus deinem Mief und schreib mal einen lieben Brief.“ Heutzutage kaum noch zu glauben, aber die Verfasserin dieser Zeilen hat gar kein Handy. Wie auch keine Spülmaschine.


Cornelia Große betreibt seit nunmehr schon 20 Jahren den kleinen Laden „Basteln & Handarbeiten“. Sie hält der Konkurrenz aus dem großen Internet bisher tapfer stand und hat ebenso die größte Krise – den Bau des Brückenzubringers direkt vor ihrer Tür – überstanden, wenn auch gerade so. Auch wenn die Familie nicht allein von dem Geschäft leben kann, startet die 52-jährige, gebürtige Weinböhlaerin und gelernte Pharmazie-Ingenieurin jetzt noch einmal neu durch. Vor zwei Jahren integrierte sie im Laden ein Museumscafé, im vergangenen September folgte dann das dazugehörige Museum – die Heimatstube Naundorf.
Zu dieser geht’s durch eine Schiebetür eine knorrige Holztreppe hinauf. Wer sich schon beim Schlemmen von selbst gebackenem Apfelkuchen, serviert auf altem Porzellan, ein bisschen wie bei Muttern fühlte, ist nun endgültig im Gestern angekommen. Cornelia Große hat hier unterm Dach wahre Schätze liebevoll zusammengetragen: Wäsche der Urgroßmutter, Skier vom Schwiegervater, ein Pflanzeisen von 1880, Schlachthausfliesen aus dem Naundorfer Gasthof, den es gar nicht mehr gibt, einen geschenkten Puppenwagen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Porzellangriffen und Stahlgestell, ein Harmonium, auf dem die Gastgeberin sofort „Freut euch des Lebens“ spielt, und in einer Ecke drei Gießformen Vadossis. Diese erinnern daran, dass das Hinterhaus zu DDR-Zeiten als Maschinenlager des Süßwarenherstellers diente, nachdem Großes Schwiegergroßvater darin jahrelang tischlerte.
Nun wird sich dort wieder handwerklich und kreativ betätigt. Denn Cornelia Große verkauft mithilfe ihrer Mama Christa nicht nur Styropor, Blümchen, Karten, Filz, Stoffe und Seide, sondern bietet auch Kurse an. In der guten Stube ist ebenso der Dorf- und Schulverein zu Hause, fertigt dieser etwa Eier für den Naundorfer Osterbrunnen, feiern Kinder Geburtstage und wird sogar Wolle gesponnen – das nächste Mal wieder am 15. März.
Immer beliebter wird das Kleinod aus vergangenen Tagen auch bei Elberadlern. Diese können gleich im Laden eine Karte oder einen Brief an die lieben Verwandten zu Hause schreiben – natürlich per Hand. Morgen Nachmittag ist aber erst einmal Feiern des 20-jährigen Bestehens angesagt. Von 13 bis 18 Uhr können die Besucher basteln und Kuchenberge abtragen. Mit dabei ist auch das Maskottchen, ein Tütenkasper, ein Kasper in der Tüte. Aber Achtung: Vor der Tür wartet wieder die raue, schnelle Wirklichkeit.
Geöffnet ist derzeit Montag bis Donnerstag und Sonnabend von 13 bis 18 Uhr. Eintritt frei.
Besitzerin ohne Handy, aber dennoch ist ihre Stube im Internet: www.naundorfer-heimatstube.de