Kampf um die Riesenantenne geht weiter

Sabine Neumann schaut etwas nachdenklich auf die Wilsdruffer Riesenantenne. Noch steht sie, sagt die junge Frau. Und wenn es nach ihr geht, soll sich daran nichts ändern. Schließlich ist der 153 Meter hohe Stahlmast längst zu einer Landmarke geworden, die viele nicht missen wollen, sagt die Limbacherin. Deshalb ist sie aktiv geworden. Ihr Kampf um den Erhalt der Riesenantenne begann genau vor einem Jahr. Damals wurde bekannt, dass sich deren Besitzer, die Media Broadcast, von dem Mast trennen und ihn umlegen möchte. Begründung: Die Antenne werde seit Jahren nicht mehr gebraucht, ihre jährliche Unterhaltung ist zudem sehr teuer.
"Ich bin zuversichtlich, dass der Turm stehen bleibt", sagt Sabine Neumann. Aus Insiderkreisen wisse sie, dass es der Media Broadcast nicht leicht fällt, alle Auflagen aus der Abrissgenehmigung zu erfüllen. Deshalb gibt sie sich noch nicht geschlagen. Anfang Februar möchte sie mit ihren Mitstreitern im Förderverein Funkturm Wilsdruff die nächsten Schritte vereinbaren. Ein Event steht schon fest. Im Frühjahr soll es eine Sternwanderung geben. "Dazu wollen wir mit den anderen Vereinen in der Stadt zusammenarbeiten." Mit dieser Aktion wolle man einmal mehr darauf hinweisen, wie verbunden die Menschen rund um Wilsdruff mit dem Turm sind.
An den Aufgaben gewachsen
Sabine Neumann weiß, dass solche Aktionen nicht reichen. Sie hat im vergangenen Jahr durch verschiedene Veranstaltungen und Treffen viel dazugelernt, ist selbstbewusster geworden, hat keine Scheu mehr, vor vielen Leuten und mit Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zu sprechen. "Ich bin an den Aufgaben gewachsen", sagt sie selbst. Deshalb hat sie keine Scheu, Kontakt zu Politiker aufzunehmen und sie um Hilfe zu bitten. Und deshalb hat sie sich fest vorgenommen, sich mit Eva-Maria Stanges Nachfolger, Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) zu treffen, um ihn für die Unterstützung zu gewinnen. Vielleicht könne er helfen und Tipps geben, wie die technischen Anlagen unter der Antenne mit Unterstützung des Freistaates genutzt werden können, um ein Schülerradio in Wilsdruff zu etablieren. Mit diesem Projekt könnte das technische Denkmal auch für jüngere Menschen interessant werden, sagt die Limbacherin. Auch mit Innenminister Roland Wöller (CDU), der der zuständige Wahlkreisabgeordnete für Wilsdruff ist, wolle sich weiter zusammenarbeiten.
In den letzten Monaten hat die Limbacherin viel Rückhalt erfahren. "Und ich habe viele tolle Menschen kennengelernt", sagt sie. Es sei schon vorgekommen, dass sie mit Frau Funkturm angesprochen wurde. Sie nimmt's gelassen und lächelt. Nur ganz selten sei sie bisher auf Leute getroffen, die sich offen für den Abriss aussprechen, weil ihnen die Rettung zu teuer erscheint oder weil sie darin ein Relikt des DDR-Regierung sehen und sich dadurch an Zeiten erinnert fühlen, als mit solchen Anlagen Propaganda betrieben wurde. Entmutigt habe sie diese Begegnungen aber nie, so Neumann.
Sabine Neumann, die im Mai 2019 mit Mitstreitern den Förderverein Funkturm gegründet und der inzwischen rund 40 Mitglieder hat, verschweigt nicht, dass die Vorstellungen der Vorstandsmitglieder in Teilen sehr weit auseinander gehen. Sollte der Abriss nicht zu verhindern sein, wollen sich einige ans Tor anketten lassen. "Ich werde das aber nicht tun", sagt sie. Sie gehöre eher zu denen, die sich bereits jetzt Gedanken um einen Plan B machen. Denn der Abriss ist nicht vom Tisch. Sollte es dazu kommen, könnte ihr Verein zum Beispiel zusammen mit der Deutschen Funkturm einen Ersatz schaffen. Denn die Telekom-Tochter besitzt in der Nähe der Riesenantenne einen Mobilfunkmasten, der nach ihrer Information umgesetzt werden muss. Das könnte man nutzen, um diesen Turm an anderer Stelle, möglichst nahe der Autobahn aufzustellen und ihm einen rot-weißen Anstrich zu geben.
Nachnutzung immer noch ein Thema
Parallel zum Kampf gegen den Abriss beschäftigt sich der Förderverein weiter mit einer möglichen Nachnutzung der Anlagen des früheren Funkamtes Dresden. Ideen - wie die des Schülerradios - gibt es einige. Doch noch immer fehlt eine Konzeption. Die wollte der Verein 2019 auf dem Weg bringen. Deshalb beantragte er im Herbst eine Förderung über das EU-Programm Leader. Vereinsmitglied Jörg Weidehaas, der zugleich auch Leiter des Landesverbandes Sachsen des Deutschen Amateur-Radio-Clubs ist und den Antrag vorbereitete, gab sich zunächst sehr zuversichtlich. Ende November musste der Verein seinen Antrag zurückziehen. "Es gab mehrere Gründe", sagt Sabine Neumann. Zum einen ist der Verein kein Eigentümer, weder an der Antenne, noch am Grundstück. Zum anderen sei nicht garantiert, dass der Turm während der angepeilten Untersuchungszeit auch stehen bleibt. Und letztlich fehlte es den Verein, um möglicherweise finanziell in Vorleistung gehen zu können. So ganz verabschieden will sich der Verein von der Projektstudie nicht. "Wir wollen versuchen, in diesem Jahr erneut einen Antrag zu stellen, diesmal in abgespeckter Version und ohne Bezug auf den Turm, zu stellen."
Im Verein gibt es eine Idee, wie der Turm und die Anlage bis in alle Ewigkeit bewahrt werden könnten. Dazu müsste das gesamte Areal mit einer speziellen Kamera erfasst werden, um es das Gesehene in 360-Grad-Panoramabild-Filmen zu verpacken. Später könnte man dies mithilfe einer VR-Brille anschauen. Konkretes gibt es dazu noch nicht, räumt Sabine Neumann ein. Sie wisse auch nicht, wie teuer so etwas wäre und wer bereit sein könnte, das zu finanzieren.
Eines würde sich damit aber nicht ersetzen lassen. Der Blick auf dem Turm, wenn man sich mit dem Auto auf der Autobahn A 4 fahrend Wilsdruff und Dresden nähert und als erstes die Riesenantenne sehen kann.