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„Wir brauchen die Kehrtwende beim Einkaufstourismus“

Der Immofant-Chef Michael Schulz sieht große Chancen für Görlitz.

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Von Steffen Schreiber

Familie Schulz ist seit 15 Jahren mit Görlitz verbunden. Nicht nur durch die eigene Immobilienfirma ISS Immofant Service Solution, die ihren Sitz in der Theaterpassage hat. Auch emotional sind die Schulzes an die Neißestadt gefesselt. So war die Familie auf vielen Gebieten ehrenamtlich engagiert. Doch auch in Hinblick auf die wirtschaftliche Zukunft der Stadt sehen sich die Schulzes in der Verantwortung. Die SZ sprach mit dem Immofant GmbH-Geschäftsführer Michael Schulz über seine Ziele und Visionen.

Herr Schulz, zwei Ihrer Ladengeschäfte und Büros in bester Lage stehen seit zwei Jahren leer. Ist die Theaterpassage so uninteressant für Investoren?

Im Gegenteil. In unserem Einzugsgebiet arbeiten täglich über 2 000 Menschen und am Demianiplatz steigt etwa die Hälfte aller Leute aus, die mit Bus und Bahn in die Innenstadt kommen. Außerdem war die Theaterpassage schon immer die natürliche Verlängerung der Görlitzer Einkaufsmeile Berliner Straße.

Warum sind die Schaufenster dann noch immer leer?

An fehlenden Anfragen lag es nicht. Doch wir verfolgen einen nachhaltigen Ansatz bei der Vermietung unserer Objekte. So fragen wir uns, braucht die Stadt noch einen weiteren Dönerladen? Oder einen neuen Discounter? So fallen viele Anfragen raus.

Auf was für Angebote würden Sie denn setzen?

Auf Marken. Auf Dinge, die einen langfristigen Mehrwert haben. Solche Angebote kosten aber natürlich mehr Geld. Auch für unsere Mieter. Doch das verstehen manche Händler hier in Görlitz nicht.

Vielen fehlt aber auch einfach das Geld, sich in die 1A-Lagen einzukaufen.

Das ist eine Frage der langfristigen Planung. Wenn ich jetzt auf der Jakobstraße mit wenig Miete aber auch weniger Kunden habe, kann ich letztendlich mehr Geld machen mit hoher Miete, aber auch viel mehr Kunden. Dazu muss man natürlich ein gewisses Risiko eingehen.

Aber bei der geringen Kaufkraft in Görlitz ist dieses Risiko doch recht hoch.

Wieso geringe Kaufkraft? Wenn Sie sich einmal in Görlitz genau umschauen, auch in den Vororten und im Umland, sehen Sie schnell, dass es hier Geld gibt. In der Region haben wir statistisch ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 27 000 Euro.

Doch das Geld scheint nicht in Görlitz zu bleiben.

Nein, natürlich nicht. Weil hier das Angebot fehlt. So gehen alle zum Einkaufen nach Dresden. Wenn wir hier endlich eine Kehrtwende schaffen, könnten wir viel für Görlitz erreichen.

Das heißt, Sie blicken optimistisch in die Zukunft?

Sehr optimistisch. Das sieht man schon daran, dass wir gerade zwei neue Häuser auf der oberen Berliner Straße gekauft haben und in diese investieren. Zurzeit sehe ich Görlitz sogar am Anfang einer neuen Gründerzeit.

Erklären Sie bitte, warum?

In den vergangenen Jahren wurde in Görlitz viel durch die „Geiz ist geil“-Mentalität kaputtgemacht. Doch mit der neuen Stadtführung weht ein frischer Wind und auch das Verhältnis zum Landkreis ist besser. Das Durchschnittsalter der 22 000 Innenstadtbewohner liegt aktuell bei 38 Jahren. Außerdem bringt das neue Landratsamt einen großen Schub für die Stadt. Wenn wir das alles nutzen, sehe ich für Görlitz sogar eine jährliche Wachstumsrate von zwei bis drei Prozent. Dafür brauchen wir aber eine klare Vision und eine gute, umsetzbare Strategie für unsere Innenstadt.

Haben Sie eine?

Ich sehe die Innenstadt der Zukunft als einen Ort der Zusammenkunft. Einen Ort, an dem man Menschen trifft, Schönes erlebt und vor allem aus einem reichhaltigen Angebot für jedermann auswählen kann. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und investieren weiter in hochwertige Immobilien. Doch alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen.

Das ist wohl eines der Hauptprobleme in Görlitz, oder?

Leider haben wir hier eine Kultur des Neides. Wenn mein Nachbar besser ist als ich, versuche ich, ihn schlecht zu machen, anstatt am eigenen Angebot zu feilen. Auch werden Investoren viele Knüppel zwischen die Beine geworfen, sodass sich manch einer entnervt zurückzieht. Aber so kommt man nicht weiter. Wir versuchen, unsere Taten und Objekte sprechen zu lassen.

Was ist nun mit den beiden leeren Geschäften der Theaterpassage geplant?

Wir haben jetzt zwei Mieter. In den ehemaligen Friseur zieht im Mai ein neuer Friseur ein, mit einem hochwertigen Angebot. Und im früheren Raucherteil des Café Lolo’s wird Anfang April der für Görlitz einzigartige Imbiss „Curry 2122“eröffnen.