„Wir brauchen die Zuwanderung“

Bautzen. Eines Tages, erinnert sich Bäckermeister Willy Bleschke, stand eine Frau in seiner Tür. Sie fragte ihn, ob er noch immer jemanden suche, der in seiner Bäckerei arbeitet. „Ja, na klar“, lautete seine unverzügliche Antwort, denn die Lage ist bekannt: Nicht nur er sucht wirklich dringend nach helfenden Händen. Dann druckste die Frau herum: „Der Mann, den ich meine, ist schwarz.“ Und in einer Bäckerei auf dem Land sieht man das nicht alle Tage.
Der junge Mann, der gerne bei Willy Bleschke arbeiten wollte, heißt Ass Samb und kommt aus dem Senegal. Und es dauerte dann auch nicht lange, da begann Ass Samb seine Arbeit als Hilfskraft in der Bäckerei Bleschke, zunächst in Bautzen.
Sicher, es war nicht immer alles leicht für den Meister. Ein dreiviertel Jahr ist es nun her, dass er Ass Samb in seinen Bäckereibetrieb aufnahm. Mit einigen Angestellten musste er diskutieren, ihnen erklären: „Was ihr privat macht, ist mir egal – aber hier wird der neue Mitarbeiter akzeptiert wie jeder andere auch.“ Und auch Kunden wollten sich abwenden. Das nahm Bleschke in Kauf – aber nicht ohne zu erklären, dass der Mann, der da für ihn arbeitet, Sozialabgaben zahlt. Mit der Verständigung mit dem 20-Jährigen wollte es zu Beginn auch nicht ganz klappen. Doch schnell lernten Willy Bleschke und der neue Angestellte, sich verständlich zu machen. „Die Säcke mit dem richtigen Mehl habe ich ihm gezeigt“, erinnert sich der 43-Jährige, „dann funktionierte das.“
Arbeitstag beginnt mitten in der Nacht
Am Anfang kam sein neuer Mitarbeiter auch manchmal zu spät. Mitten in der Nacht beginnt der Arbeitstag in der Bäckerei; weil Ass Samb zu dieser Zeit in der Bautzener Asylunterkunft Greenpark lebte und es dort nachts oft laut war, verschlief er nicht selten. Doch auch hier fand der Bäcker aus Knappenrode bei Hoyerswerda schnell eine Lösung. Kurzerhand entschied Willy Bleschke, den jungen Mann bei seiner Mutter im Haus einzuquartieren. „So war meine Mutti nicht mehr alleine, und Ass konnte in der Backstube in Groß Särchen arbeiten“, erzählt er. Sicher, da waren ganz offensichtlich Widrigkeiten – doch auf keinen Fall wollte Bleschke Ass Samb als Mitarbeiter verlieren.
Zu wichtig waren die helfenden Hände, zu wenig Alternativen gab es. Willy Bleschke und Ass Samb hatten ihren Weg gefunden, sie waren ein gutes Team geworden. Und dann die Nachricht: Ass Samb bekommt ein Arbeitsverbot. Er war als Geflüchteter nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Weil er ohne Pass nicht abgeschoben werden kann, gilt er als geduldet. Das Landratsamt erklärt: Kommen Asylbewerber dann ihrer sogenannten Mitwirkungspflicht nicht nach, wird die Arbeitserlaubnis entzogen. „Wir haben seine Geburtsurkunde kopiert“, sagt Willy Bleschke – doch offensichtlich reichte das nicht. Der Bäckermeister versteht nun die Welt nicht mehr. „Wir brauchen ihn doch, wir brauchen ihn wirklich dringend“, sagt er.
Gesetz soll 2020 in Kraft treten
Erst vor Kurzem hat der Bundestag ein neues Gesetz beschlossen, das die Einwanderung erleichtern soll. Es muss noch durch den Bundesrat, soll 2020 in Kraft treten und trägt den Namen „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“. Es soll Menschen aus dem nicht-europäischen Ausland ermöglichen, nach Deutschland zu kommen, wenn sie hier Arbeit haben. Auch Geduldete, also abgelehnte Asylbewerber wie Ass Samb, können davon profitieren – doch nur, wenn sie eine Ausbildung haben. Ass Samb hat im Senegal bereits als Bäcker gearbeitet, eine Ausbildung hat er aber nicht. Willy Bleschke geht das Gesetz deshalb nicht weit genug. „Wir brauchen doch auch Hilfskräfte“, meint er. „Ass ist jetzt hier. Warum lassen wir ihn nicht arbeiten?“ Nicht nur er weiß, wie wichtig Arbeitskräfte aus dem Ausland heute sind.
Auch Sebastian Eckert, Geschäftsführer der Aklepios-Klinik in Radeberg, erzählt, dass die Zahl der Bewerbungen auf offene Stellen zurückgeht. Er empfindet die bürokratischen Hürden für Arbeitskräfte aus dem Ausland als zu hoch. Und auch Jürgen Preusche, Geschäftsführer des Großpostwitzer Textilbetriebs Ontex, ist überzeugt: Eine gesetzliche Regelung mit vereinfachten Bedingungen für die Zuwanderung ist nötig. So sieht das auch Karsten Herrmann, Geschäftsführer der Bautzener Brauerei und des Capillar-Schleifkörperwerkes in Crosta. Auch er beschäftigt Leute mit Migrationshintergrund, unter anderem einen Koch, der als Asylbewerber aus Syrien hier herkam. Auch er hat keine Ausbildung absolviert. Gute Erfahrungen hat Karsten Herrmann trotzdem gesammelt mit ihm, negative allerdings aufgrund von Anfeindungen durch einige Gäste. Auch in Herrmanns Schleifkörperwerk gibt es Aufgaben, für die es nicht unbedingt eine Ausbildung braucht. Und auch er findet deshalb, das neue Gesetz müsste ausgeweitet werden. „Wir suchen zum Beispiel seit Jahren eine Servicekraft“, erzählt er. Deutlich sagt er: „Die Möglichkeit, jemanden einzustellen, mache ich nicht von der Reisepass-Farbe abhängig.“
Sehr gute Erfahrungen gemacht
Roland Ermer, Landesobermeister des sächsischen Bäckerhandwerks, beschäftigt in seiner Bäckerei in Bernsdorf einen Asylbewerber als Azubi. Sehr gute Erfahrungen habe er mit dem Afghanen gemacht. Auch er glaubt, dass der Fachkräftemangel ohne Zuwanderung nicht zu bewältigen sei – aber dass das neue Gesetz nicht weit genug geht. „Wenn wir Zuwanderung nicht gewaltig erleichtern, kriegen wir riesen Probleme“, ist er überzeugt. Auch er findet, dass nicht nur ausgebildete Arbeiter leichter ins Land kommen sollten, sondern auch ungelernte. „Wer arbeiten will, muss kommen dürfen“, fordert er. Die Einwanderung auf Leute zu beschränken, die tatsächlich einen Arbeitsvertrag haben, ist ihm zwar wichtig. Aber auch Asylbewerber, die nun einmal hier sind und arbeiten, sollten seiner Ansicht nach bleiben dürfen.