„Wir dulden weder Links- noch Rechtsradikale“

Frau Reimann-Bernhardt, in den 60 Landtagswahlkreisen gibt es Wahlforen der Landeszentrale für politische Bildung, bei denen die Direktkandidaten der Freien Wähler nicht eingeladen sind. Wie sehr ärgert Sie das?
Meine Kraft benötige ich für den Wahlkampf, da ist mir reiner Ärger zu destruktiv. Ich habe mit dem Behördenleiter Roland Löffler zu diesem Thema sehr konstruktiv telefoniert. Natürlich möchte ich gerne meine Themen in ein solches Forum einbringen. Aufgrund der zunehmenden Vielfalt der Parteienlandschaft werden wir aus meiner Sicht in Zukunft ohnehin andere Formen für solche Foren finden müssen. Das geht aber nicht auf die Schnelle und mitten im Wahlkampf.
Richtig ärgert mich, dass die Darstellung in Ihrer Zeitung den Leserinnen und Lesern suggeriert: Es gibt nur sechs Direktkandidaten pro Wahlkreis. Die Wahl wird noch immer von den Wählern entschieden.
Wir haben uns an dem Format der Landeszentrale für politische Bildung orientiert. Sie haben gegen die Behörde vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geklagt. Das Gericht sieht für Sie keine Chance, in den Landtag zu kommen.
Ein Gericht kann auch nur die Prognosen der Umfrageinstitute zur Kenntnis nehmen und für sich interpretieren. Die Landtagswahl wird aber am 1. September entschieden und nicht in den Umfragen. Es wird schwer, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, aber das zu schaffen, sind wir angetreten.
Haben Sie Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt? Wie geht es weiter?
Der Vorstand hat nach langer Überlegung keine Beschwerde beim OVG eingelegt, obwohl es zwei Ansatzpunkte gab: es geht erstens um die Direktkandidaten. Da waren bereits 2014 einige stärker als die der Grünen oder der FDP. Zweitens will das Konzept der Landeszentrale Vielfalt zeigen. Da gehören aus unserer Sicht dann eben alle Direktkandidaten dazu.
Sie sagen, bei Ihnen gehe es demokratischer zu als bei den Parteien. Können Sie das bitte erläutern?
Was die Freien Wähler aus meiner Sicht als Alleinstellungsmerkmal haben, ist die starke Verzahnung zwischen kommunalen und landesweiten Strukturen. Das Engagement vieler Leute in den Kommunen gerät aber immer immer wieder an eine gläserne Decke.
Dadurch, dass viele Belange in den Kommunen landespolitisch mitbestimmt werden, ergab sich die Notwendigkeit der Gründung einer schlanken Partei. Wir wollen landespolitisch die kommunalen Themen hörbar ansprechen und mit entscheiden können. Bei vielen anderen Parteien war der Weg genau andersherum. Dadurch erleben wir bei uns auch viel weniger starke Hierarchie und Parteilogik.
Was ist der politische Unterschied zur AfD und zur CDU? Es ist anzunehmen, dass viele Ihrer Wähler aus deren Nähe kommen, oder?
Wir werden nach der Wahl sehen, wer uns gewählt hat. Ich hoffe, wir können viele von uns und unserer Arbeit überzeugen – kommunalpolitisch haben wir das gezeigt. Wir bieten eine konstruktive Wahlmöglichkeit, damit Protest in der Wahl nicht nötig ist. Da ist es grundsätzlich erst einmal egal, woher die Wähler kommen: Nicht-Wähler, die nicht wahrgenommenen Menschen, die Verzweifelten, die Orientierungslosen, die sich im Moment schwertun, die vorhandenen Parteien zu wählen.
Sie können uns wählen, weil sie wissen, dass wir in unseren Reihen weder Links- noch Rechtsradikale dulden und wir uns sachbezogen den Themen zuwenden. Bei uns sind alle Fragen erlaubt, es wird kein Thema abgewertet, solange die Auseinandersetzung sachlich, auf rechtsstaatlichen Prinzipien und menschenwürdig stattfindet. Mit Angstmache und Protest kommen wir da nicht weiter.
Wie schätzen Sie aktuell den Wahlkampf im Landkreis Meißen ein?
Ich treffe viele Menschen, die sich gesellschaftlich, politisch engagieren, und viele, die diskutieren und Interesse an Veränderung haben. Das erlebe ich bereits seit mehreren Monaten. Menschen aus allen Generationen kandidieren für politische Gremien, füllen Ehrenämter aus, das zu erleben, macht Freude.
In Klipphausen ist gleichzeitig jetzt Wahlkampf für das Amt des Bürgermeisters. Da merke ich, es gibt Unterschiede zwischen beiden Wahlkämpfen. Die Kandidaten organisieren Veranstaltungen, die Menschen interessieren sich, kommen, hören zu, fragen nach und diskutieren.
Landespolitik erleben die Menschen oft weit weg, da könnten sie eh keinen Einfluss nehmen, denken sie. Wir Freien Wähler sehen das anders, gehorchen keiner Parteilogik, sondern arbeiten themenbezogen. Wir geben den Bürgern auch Rückmeldungen, was umgesetzt werden konnte und was – aus welchen Gründen auch immer – bisher nicht. Unsere Stärke ist, dass wir in den Kommunen ständig unterwegs sind und nicht nur dort auf Besuchstour.
Was sind Ihre wichtigsten Botschaften?
Meine wichtigsten Botschaften sind: Ich will und kann was tun. Dazu möchte ich auffordern und Mut machen. Wir brauchen wieder mehr Bürgerbeteiligung – die Kommunen benötigen mehr Selbstverwaltung, denn sie wissen am besten, wie die Prioritäten vor Ort gesetzt werden müssen. Dann werden sich auch die Menschen wieder mehr einbringen.
Dabei liegen mir die Dörfer, also der ländliche Raum, besonders am Herzen. Wir benötigen wieder mehr Orte, an denen sich Menschen begegnen. Da denke ich an die Arztpraxis genauso wie an den Laden, die Kneipe, den kirchlichen und kommunalen Begegnungsraum.
Ich setze mich dafür ein, dass diese realen Räume zum Einanderbegegnen, zum Austausch genutzt werden. Virtuelle anonyme Räume reichen nicht aus für ein friedliches und soziales Miteinander. Ich setze mich für mehr Gemeinwohlorientierung und menschengerechte Politik ein, jeder Mensch ist gleich würdig.
Um die rasanten Entwicklungen bewältigen zu können, benötigen wir in erster Linie auch Bildung, lebenslanges Lernen, Recht auf Weiterbildung, Unterstützung der Familien in allen Lebensphasen – vorgeburtlich bis zur Pflege der Angehörigen.
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie für sich persönlich?
Wir haben die Sicherheit von Prognosen erlebt bei der Wahl des US-Präsidenten oder dem Volksentscheid zum Brexit. Ich bin dankbar für die letzten Monate, die Ergebnisse der Kommunalwahlen, die Begegnungen, Gespräche und dass meine Meinung, mein Engagement zählt.
Und bei allen Prognosen – die Wahl wird am 1. September entschieden, und wie wir wissen, trifft die Statistik nicht auf den Einzelfall zu, Ausnahmen bestätigen die Regel. Warten wir es ab.
Es fragte Ulf Mallek.
Zur Person

Brit Reimann-Bernhardt ist Vorsitzende der Kreisvereinigung Meißen der Freien Wähler. Sie tritt als Direktkandidatin im Wahlkreis 39 (Meißen) für die Landtagswahl an.
Die promovierte Diplompsychologin arbeitet als Referentin für Schulentwicklung bei der Schulstiftung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.
Die 45-Jährige ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Klipphausen.