Mittelsachsen. Der erste Arbeitstag im neuen Amt ist geschafft. Seit Sonntag ist er offiziell Mittelsachsens neuer Landrat: Matthias Damm aus Mittweida. Der CDU-Politiker hat seinen Chefsessel im Mittweidaer Rathaus hinter sich gelassen, um von Freiberg aus eine 1 500-Mann starke Verwaltung zu leiten. Knapp 70 000 Mittelsachsen haben das bei der Wahl so gewollt. Der DA hat sich mit den neuen Landrat getroffen und über seine Pläne gesprochen.
Herr Damm, wie haben Sie Ihren ersten Tag als Landrat erlebt?
Der erste Tag war schon straff gefüllt mit Terminen, was zu erwarten war. Ich habe hier eine gute Mannschaft angetroffen, aber das habe ich vorher schon gewusst. Ich gehe davon aus, dass das, was auf dem Aufgabenzettel steht, mit der Mannschaft in guter Qualität und mit hoher Präzision bewerkstelligt werden kann. Der ehemalige Landrat Volker Uhlig hat ein gut bestelltes Feld hinterlassen. Dennoch wird es auch Dinge geben, die uns nicht so glücken werden.
Sie haben in der Vergangenheit immer wieder betont, die Linie von Herrn Uhlig beibehalten zu wollen. Aber was wird Ihren Stil ausmachen?
Ich stehe dafür, pragmatische Lösungen für Probleme zu finden. Das habe ich schon als Anwalt so gehalten. Bevor wir über etwas streiten, sollten wir es vorher ansehen oder anfassen. Da sieht manches anders aus, als wenn man es nur auf dem Papier sieht. Es ist mein Stil, dass ich mich vor Ort von den Problemen überzeuge. Außerdem werde ich neutral und ohne Emotionen an die Sachen herangehen. Für das Miteinander gelten bei mir drei Grundsätze: Verlange von anderen nur das, was du selbst bereit bist, zu tun. Schreibe nur das, was du deinem Gegenüber auch ins Gesicht sagen würdest und tue nichts auf Kosten anderer oder zulasten der nachkommenden Generationen. Zudem will ich berechenbar sein.
Und welche Grundsätze gelten bei Ihnen in Sachen Finanzen?
Als öffentliche Körperschaft die gleichen wie als Privatperson: Man kann nur ausgeben, was man auch tatsächlich hat. Kredite sollte es nur im Ausnahmefall geben und auch nur, wenn deren Rückzahlung schon früh feststeht. Ein gutes Beispiel für den Umgang mit Geld ist Mittweida. Mit gewissem Stolz kann ich sagen, dass Mittweida seit vergangenem Jahr schuldenfrei ist.
Sie haben vorhin Ihren Aufgabenzettel angesprochen. Was steht denn dort alles drauf?
Wenn ich Ihnen den jetzt vorlese, sitzen wir morgen noch hier (lacht). Das Thema Asyl ist eine Sache, die uns alle beschäftigt und herausfordert. Hier sind Anstrengungen in allen Bereichen erforderlich. Es ist nicht abzusehen, wie sich der Zuzug weiter entwickelt. Aber Fakt ist, wir haben diese Aufgabe zu erfüllen. Als Behörde sind wir dazu verpflichtet, sie mit unserer ganzen Kraft zu stemmen. Aber das Thema an sich muss auch gesamtgesellschaftlich gesehen werden und es kann auch nur so gelöst werden. Zurzeit leben rund 1600 Asylbewerber in Mittelsachsen, in Gemeinschaftsunterkünften und dezentral.
Kritisiert wird vor allem die Informationspolitik in Sachen Asyl. Werden Sie die Bürger zukünftig früher über mögliche Asylunterkünfte informieren?
Wenn wir in der Bevölkerung eine Akzeptanz erreichen wollen, dann müssen wir auch mit den Bürgern reden und sie rechtzeitig mit einbeziehen. Wobei jedoch rechtzeitig von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Wenn es sich machen lässt, bin ich auf jeden Fall für eine rechtzeitige Information. Aber es wird durchaus Situationen geben, in denen der Landkreis selbst erst spät erfährt, wer aus welchen Krisengebieten kommt und dann auch erst entscheiden kann, wo sie untergebracht werden. Wenn es uns als Politik nicht gelingt, die Bürger bei diesem Thema mitzunehmen, haben wir als Gesellschaft verloren.
Wäre es auch denkbar, für die Betreuung der Asylbewerber Menschen aus dem Ruhestand zu reaktivieren?
Denkbar ist alles. Auf dieser Strecke sind intelligente Lösungen erforderlich. In den Städten und Gemeinden sind schon jetzt viele Initiativen aktiv, die sich in dieser Richtung stark machen und zum Beispiel Deutschkurse bieten.
Was sagen Sie zu den Angriffen auf Asylunterkünfte wie zuletzt der Brand- und Wasseranschlag auf die geplante Einrichtung in Lunzenau?
So etwas hat es nicht zu geben. Niemand hat ein Heim oder einen Asylbewerber als Zielscheibe zu nehmen. Das verurteile ich aufs Schärfste. Man kann sicher geteilter Meinung zum Thema Asyl sein. Aber das sollte nicht dazu führen, dass Gewalt ins Spiel kommt. Wir werden alles, was in dieser Richtung passiert, konsequent zur Anzeige bringen. Gewalt soll es gegen niemanden geben. Auch nicht gegen Asylbewerber.
Wie werden Sie als Landrat konkret das Thema Asyl angehen? Der Druck auf den Kreis wird offenbar immer größer.
Aus meiner Zeit als Bürgermeister von Mittweida kann ich sagen, dass Asyl auf jedem 90. oder 100. Geburtstag Thema gewesen ist. Aber wenn man den Leuten Folgendes gesagt hat, hatten sie meist Verständnis: Jeder, der wirklich Hilfe braucht, soll auch Asyl bekommen. Das kann und muss Deutschland leisten. Aber Asylrecht ist eine Bringschuld. Und jeder, der hier Asyl will, für den ist es auch nicht zu viel verlangt, zu sagen, wie er heißt und wo er herkommt. Und wer kein Asylrecht hat, der muss das Land auch wieder verlassen. Das muss konsequent durchgesetzt werden.
„Ihre“ Stadt Mittweida lassen Sie in dem Moment zurück, in dem auf einer Freifläche Container für Asylbewerber aufgebaut werden sollen. Hätten Sie diesen Prozess gern noch länger als Bürgermeister begleitet?
Ich lasse Mittweida nicht zurück. Die Nachfolge ist beizeiten so geregelt worden, dass es keine Verschlechterung im kommunalen Bereich gibt. Der neue Oberbürgermeister Ralf Schreiber ist gut vorbereitet, wir haben viele Jahre eng zusammengearbeitet. Wir konnten die Frage nach dem Standort klären. Der neue an der Burgstädter Straße ist nach Auffassung der Stadt ein guter Standort. Im Vergleich zum Parkplatz am Landratsamt leben die Asylbewerber dort geschützter.
Ein weiteres Thema, das die Bürger nahezu täglich beschäftigt sind die mitunter schlechten Zustände der Kreisstraßen. Wann werden diese endlich besser werden?
Zurzeit betreuen wir 700 Kilometer Kreisstraße. Mit den Mittelzuweisungen, die wir bisher erhalten, wird es 50 Jahre dauern, bis wir mit allen durch sind. Jeder vernünftig Denkende merkt, dass das keine Lösung sein kann. Bisher werden vier Millionen Euro pro Jahr eingesetzt, wenn wir die Summe verdoppeln können, würden wir in 20 Jahren durchkommen. Hier gilt es, sich in Dresden Gehör zu verschaffen, gemeinsam mit den anderen Landräten. Wir müssen alle in eine Richtung ziehen. Denn das Thema betrifft nicht nur Mittelsachsen.
Sie haben anfangs deutlich gemacht, dass möglichst gespart werden soll. Wie wollen Sie das angesichts der wachsenden Aufgaben umsetzen?
Wir müssen die Ausgaben in den Pflicht- und freiwilligen Bereichen auf ein Mindestmaß reduzieren. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben. Wir sind aber bestrebt, diesen Fall weitestgehend zu vermeiden.
Wäre ein zentraler Verwaltungsstandort eine Lösung?
Was wäre die Konsequenz? In Freiberg für Millionen ein großes Landratsamt und in Döbeln und Mittweida leerstehende Objekte? Wir haben einen Stand erreicht, der akzeptiert ist. Mir sind keine Forderungen nach einem zentralen Standort bekannt. Außerdem: Wann muss der Bürger heutzutage noch aufs Amt? Viel lässt sich per E-Mail erledigen. Ich werde die Struktur des Landratsamtes auch in nächster Zeit beibehalten.
Das Gespräch führten Elke Görlitz und Maria Fricke.