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Wird die Innenstadt leer gefegt?

Mit den Jazztagen hat sich die Landskron Brauerei eine weitere Großveranstaltung geholt. Ein Verlust für die Altstadt.

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Von Daniela Pfeiffer

Wenn in Görlitz Jazzfest ist, öffnet der Himmel seine Schleusen. Und es ist kalt. Das hat Tradition. „Was ich beim Jazzfest schon gefroren habe. Ich habe dort immer mehr Glühwein als alles andere verkauft“, erinnert sich Heiko Hänsch, Betreiber des Flübo-Cafés. 18 Jahre lang hat er dem Jazzfest trotzdem die Treue gehalten – hat Essen und Trinken verkauft, während ein Gastronom nach dem anderen absprang. Weil es sich nicht mehr rechnete. Am Ende waren sie nur noch zu zweit – neben dem Flübo auch das Restaurant Salü von der Schwarzen Straße. „Ich hätte nur noch die 20 voll gemacht und dann sowieso aufgehört“, sagt Hänsch. „Für mich selbst würde ich es deshalb nicht unbedingt als Verlust sehen, dass die Jazztage weg sind.“

Tobias Göhlich, der zum Jahresanfang das Salü übernommen hatte, bedauert den Weggang des Jazzfestes. „Vom Ambiente her hat es auf den Fischmarkt gepasst. Ich würde mich natürlich freuen, wenn es nächstes Jahr wieder hier stattfinden könnte, aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen eben passen.“ Und die stimmen in der Landskron Brauerei, wo der Kulturzuschlag-Verein als Organisator der Jazztage angefragt hatte. Vereinschef Friedemann Dreßler zufolge war das miese Wetter der Hauptgrund, nach einer Alternative zu suchen. Nebenbei noch Kosten zu sparen, ein weiterer.

Aus Veranstalter-Sicht ist der Weggang vom Fischmarkt verständlich, sagt Eva Wittig von der Europastadt GmbH. Für sie sei wichtig, dass Görlitz für verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Veranstaltungen bietet. Wenn die in der Stadt gestreut sind – auch gut.

Für die Altstadt aber ist es ein schwerer Verlust. Auch wenn sie mit ihrem „Offkino, Klappe die Zweite“ am Klosterplatz nicht unmittelbar von den Jazztagen profitiert hat, findet Inhaberin Erika Heine es schade, dass sie weg sind. „Es ist nicht schön, dass große Feste aus der Altstadt verschwinden und in die Brauerei gehen“, sagt sie und spielt auf das Sommertheater an, das den gleichen Weg genommen hatte. Obgleich es in diesem Jahr gar nicht stattfindet. Dass mit den Jazztagen jetzt die nächste größere Veranstaltung wegzieht, trage nicht zur Belebung der Altstadt bei.

Auch sie möchte die Innenstadt gern noch lebendiger sehen, sagt Katrin Bartsch, Chefin der Landskron Brauerei und gleichzeitig Vorsitzende des Görlitzer Tourismusvereins. Sie würde sich über ein schönes Sommertheater in der Innenstadt wirklich freuen. Genau wie über die Rückkehr des Jazzfestes an seinen angestammten Platz. Wo es hingehört. Es sei keinesfalls so, dass die Brauerei sich diese Großveranstaltungen an Land gezogen hätte. In beiden Fällen seien die Veranstalter von selbst gekommen. Das Theater suchte eine Alternative zum Untermarkt und fand sie in der Brauerei, wo ausreichend Platz, Toiletten, Sicherheitspersonal und Technik vorhanden waren. Beim Jazzfest war es ähnlich. „Wir unterstützen es aufgrund der Anfrage des Veranstaltes, er wollte einen neuen Ort mit geringeren Aufwendungen und einer Schlechtwetteroption.“ Um des Festes willen habe man zugestimmt. „Wir unterstützen hier den Verein nicht aus kommerzieller Sicht, sondern für den Erhalt der Veranstaltung. Es ist für uns eine Sponsoringveranstaltung.“ Wenn es ab dem nächsten Jahr wieder gesponserte oder bezahlbare Alternativen in der Innenstadt gibt, sehe sie das auch gern, so Bartsch.

Kritikern und Neidern der Kulturbrauerei möchte sie den Wert dieses Veranstaltungsortes vermitteln. In der Region könne kaum eine weitere Einrichtung das bieten, was die Kulturbrauerei kann. Eine Goldgrube sei sie trotzdem nicht. Man müsse schon sehen, wie man die Kosten decken und Instandsetzungsarbeiten finanzieren kann. Zuschüsse gibt es schließlich von niemandem. Deshalb hat sich die Brauerei auch eine völlig neue Zielgruppe erschlossen und ist froh darüber: Senioren aus der Region werden seit kurzem mit Bussen hergebracht, um hier einen gemütlichen Nachmittag bei Kaffee, Kuchen und netter Musik zu verleben. Das Konzept ist bis jetzt aufgegangen. „Auch das belebt den Tourismus in Görlitz. Vielleicht wären diese Leute sonst gar nicht nach Görlitz gekommen.“

Die Jazzfest-Veranstalter um Friedemann Dreßler jedenfalls sind erst mal glücklich, sich für die Brauerei entschieden zu haben. Allein, dass die Schlechtwetter-Tradition auch in diesem Jahr nicht gebrochen wurde, bestärkt sie in ihrer Entscheidung. Am heutigen Sonnabend gibt es deshalb gleich die Regenvariante unter dem Dach der Kulturbrauerei – warm und trocken. Insgesamt sechs internationale Bands spielen hier von 20 Uhr bis Mitternacht.Auf ein Wort