Wo der Chef ein Arbeitszeugnis bekommt

Neulich erst hat es die Hochschule Zittau/Görlitz in die Liste der Top-5-Hochschulen bundesweit geschafft. Aber nicht nur die Studenten scheinen sich ganz wohl zu fühlen, sondern auch die Mitarbeiter. Zumindest bekommt die Hochschule auf dem Internetportal Kununu gute und sogar sehr gute Bewertungen. Die Landschaft im Dreiländereck lobt dort ein Ex-Mitarbeiter. Die großen Vorlesungsräume, in denen jeder Student einen Sitzplatz findet, die kurzen Wege, und die intensive Betreuung der Studenten durch die meisten Professoren.
Auch andere Görlitzer Arbeitgeber werden auf Kununu bewertet, darunter das städtische Klinikum, die Stadt Görlitz, einige private Firmen. Mindestens 20 sind es. Auch ein paar Unternehmen aus dem Kreisnorden lassen sich finden, Stölzle-Glas in Weißwasser oder Borbet in Kodersdorf. Kununu ist eines der größten Arbeitgeber-Bewertungsportale im Netz. Aktuelle oder ehemalige Arbeitnehmer können dort die Unternehmen bewerten – um anderen potenziellen Bewerbern eine Innensicht zu geben.
Unter anderem durch zahlreiche Bewertungskriterien, bei denen man Punkte vergeben kann: Gehalt, Vorgesetztenverhalten, Weiterbildung, Kommunikation. Die Hochschule punktet zum Beispiel bei der Arbeitsatmosphäre, den Arbeitsbedingungen, Gleichberechtigung oder auch Umwelt- und Sozialbewusstsein. Außerdem kann man selber einen Text verfassen und Verbesserungsvorschläge machen.
Manche wie die Hochschule bekommen ein positives Zeugnis, andere wie die Euro-Schulen erhalten in zwei Bewertungen viel Kritik. Eine SZ-Anfrage zu ihren Erfahrungen mit Internetbewertungen, beantworteten die Euro-Schulen aber nicht. Eine Schwierigkeit: Gerade kleinere Firmen haben meist nur vereinzelte Bewertungen. Selbst für die Hochschule sind es nur fünf. Das macht es schwer, sich wirklich ein Bild zu verschaffen von einem Unternehmen.
Unterschätzen sollte man solche Portale trotzdem nicht, sagt Lars Fiehler, Sprecher der IHK in Dresden. „Angefangen hatten solche Bewertungsportale ja im Bereich Tourismus und Gastronomie.“ Viele Hoteliers und Gastronome hätten das am Anfang ignoriert oder negative Bewertungen abgetan nach dem Motto „Beschwert ist sich halt schnell, die Zufriedenen schweigen meist“. „Darin liegt auch ein Stück Wahrheit“, sagt Lars Fiehler. „Dann hat man aber gemerkt, dass die Gäste deutlich mehr auf Internet-Bewertungen achten als angenommen.“
Eine ähnliche Entwicklung vermutet er für die Arbeitgeber-Portale. In den USA und Kanada hätten die bereits einen sehr hohen Stellenwert, in Deutschland noch nicht. Bisher seien Online-Arbeitgeberbewertungen noch kein wirkliches Thema, bestätigt Katja Pietsch, Sprecherin des Städtischen Klinikums. „Wir beobachten zwar“, aber beim Bewerbungsprozess spielen die Online-Portale noch keine Rolle, so der Eindruck beim Klinikum.
Lars Fiehler nimmt an, dass gerade in mittelständisch geprägten Regionen wie Ostsachsen viele Unternehmer gar nicht wissen, dass es diese Portale gibt – oder dass sie dort vielleicht schon bewertet wurden. Dafür sieht er zwei Gründe: Anders als große Konzerne haben Mittelständler häufig nicht die Kapazitäten für Online-Marketing. Zweitens sei es auch eine Mentalitätsfrage. „Es gibt Firmen, die machen ganz tolle Sachen. Viele neigen aber dazu, sich nicht so in die Sonne zu stellen.“ Mit Blick auf die Fachkräftesituation sei das aber falsche Bescheidenheit. „Arbeitgeberattraktivität wird ein immer wichtigeres Gut.“
Er rät Unternehmern, sich beispielsweise regelmäßig zu googlen, welche Infos sie über sich selbst finden – und wenn man die Kapazität hat, zu reagieren. Gerade, wenn ein bestimmter Kritikpunkt immer wieder auftaucht, sollte man sich schon damit beschäftigten, so Fiehler.
Nun haben Bewertungsportale auch ihre Tücken. Manche Arzt-Bewertungsplattformen beispielsweise stehen für bezahlte sogenannte Premium-Formate in der Kritik. Dazu kommt die Frage der Authentizität. Dass die Bewertungen bei Kununu kontrolliert werden, geht aus der Website hervor. Geprüft wird zum Beispiel, dass es keine namentlichen Erwähnungen gibt, keine Beschimpfungen oder rechtlich bedenkliche Inhalte. Eine Anfrage der SZ, inwieweit überprüft werden kann, ob es sich beim Bewerter tatsächlich um einen Mitarbeiter der entsprechenden Firma handelt, blieb bis Redaktionsschluss aber unbeantwortet.
„Manchmal stößt man auch auf Bewertungen, die sehr in die eine oder andere Richtung gehen“, erzählt Lars Fiehler. Bei mancher Kritik merke man auch am Vokabular: Da könnte jemand Wut im Bauch haben. Er rät, sachlich zu regieren, sich auf keinen Kleinkrieg einzulassen. „Sachlicher Umgang ist das Beste.“ Für beide Seiten.
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