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Wo der Energiebaum sprießt

Einfall. Wissenschaftler aus Tharandt wollen mit „Baumfeldern“ unseren Energiehunger stillen.

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Von Jörg Stock

Kerstin Böhme hat umgesattelt. Statt Korn wachsen auf zehn Hektar ihres Obercarsdorfer Biohofs nun Pappeln. Getreide lohnt nicht mehr, sagt die Chefin, wegen der niedrigen Preise. So setzt sie Hoffnung ins Holz. In drei Jahren will Frau Böhme die ersten Pappeln ernten, kleingehäckselt verkaufen – oder vielleicht schon in den eigenen Holzvergaser stecken.

Dieser Wandel ist ganz im Sinne von Albrecht Bemmann, Professor am TU-Institut für Internationale Forst- und Holzwirtschaft in Tharandt. Bemmann ist der Kopf eines ehrgeizigen Forschungsprojektes namens „Agrowood“. Das Ziel: landwirtschaftliche Flächen mit schnellwachsenden Baumarten in Plantagen umwandeln und das gewonnene Holz regional als Brennstoff vermarkten.

Sichere Abnehmer sind rar

Ausgangspunkt für die Forscher sind die immer weiter steigenden Energiekosten. Es liegen enorme Landwirtschaftsflächen – in Sachsen reichlich acht Prozent – von der EU subventioniert brach. Rohstoff-Pflanzen, etwa Raps oder Leinen, dürfen dort wachsen. Warum also nicht auch Bäume? Albrecht Bemmann jedenfalls sieht zahlreiche Vorzüge. Zuerst für den Bauern. Da die Agrarsubventionen schrittweise abgeschmolzen würden, sei das Energieholz eine neue Einnahmequelle. Zweitens profitiere die Umwelt. Baumplantagen brauchten weder Dünger noch Pestizide. Sie sollen Bodenerosion verhindern, Schadstoffe schlucken und Tieren Unterschlupf und Lebensraum bieten. „Außerdem wirkt eine Plantage positiv aufs Landschaftsbild“, sagt Bemmann. „In der Börde oder Lommatzscher Pflege könnte ich mir das sehr gut vorstellen.“

Drittens schließlich haben die Verbraucher ihren Gewinn. Sie beziehen das Heizholz über kurze Wege kostengünstig vom lokalen Produzenten und können sich von Öl und Gas abkoppeln. Soweit die Theorie. Praktisch existieren zwar schon größere Versuchsflächen bei Freiberg und in Südbrandenburg. Doch die Privaten zögern. Bisher sind nur rund vierzig Hektar für die Produktion bepflanzt worden. Einen Grund für die Zurückhaltung unter der Bauernschaft sieht Albrecht Bemmann in der Subventionspolitik für alteingesessene Kulturen. Der wahre Knackpunkt aber ist der Absatz. Natürlich wolle der Bauer wissen, wer ihm seine Hackschnitzel nachher abkauft. Als Nutzer schweben Bemmann Verbraucher vor Ort vor, die sich eigene Heizkraftwerke bauen: Kommunen, Schulen, Freizeitzentren, auch die Landwirtschaftsbetriebe selbst.

Bislang gibt es aber nur wenige Beispiele für eine gelungene Anwendung. Eins davon ist das Örtchen Hausdorf bei Zschadrass (Muldentalkreis), wo Verwaltung, Schule und Veranstaltungshalle gemeinsam an einer Holzheizung hängen. Dass solche Vorbilder nur schleppend Schule machen, hält Bemmann für paradox. „Alle jammern über die hohen Energiekosten. Aber niemand denkt über die Alternativen nach.“

Die Mitstreiter aus Bemmanns Riege tanzen nun auf zwei Hochzeiten: Landwirte für die Energieholz-Plantagen gewinnen und zugleich eine feste Absatzstruktur aufbauen. Kerstin Böhme, die Chefin vom Obercarsdorfer Ökohof, macht mit. Sie will ihre Plantage auf vierzig Hektar erweitern und eine Erzeugergemeinschaft für hiesige „Baumbauern“ gründen.