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Wo die Spritvorräte versteckt sind

Im Tanklager Cunnersdorf bei Kamenz können die Mitarbeiter nichts fürdie hohen Benzinpreise. Aber sie bekommen sie zu spüren.

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Von Jana Ulbrich

Eins gleich vorweg: So ein Tanklager ist ziemlich geheim. Und ziemlich explosiv. In Cunnersdorf bei Kamenz liegt das Einzige der Lausitz versteckt im Kiefernwald. Das Gelände der Tanklagerbetriebsgesellschaft Tabeg ist so groß, dass die Mitarbeiter hier, um Zeit zu sparen, mit dem Fahrrad von einem zum anderen Ende fahren. Aber es ist für einen Außenstehenden nichts zu sehen vom großen Umschlagplatz für Heizöl und Kraftstoffe – außer wunderlichen Erdhügeln vielleicht, aus denen ein paar edelstahl-glänzende Rohre ragen.

Die riesigen Tanks liegen unter der Erde. „Zu DDR-Zeiten lagerte hier die geheime Staatsreserve“, erzählt Lutz Rodig. Der studierte Maschinenbauer ist der stellvertretende Leiter des Tanklagers. Heute sind es Heizöl, Diesel und Benzin der großen Mineralölgesellschaften, die in Cunnersdorf zwischengelagert und von hier aus zu den Tankstellen der Region gebracht werden. Mehr als 100000 Kubikmeter passen in die Tanks.

Gerade kommt Frank Schöbel aus Löbau mit seinem blau-weißen Aral-Tanklaster an. Ihn kennt hier jeder. Er hat hier schon Sprit abgeholt, als er noch für Minol gefahren ist. Heute soll er Super und Diesel zu Tankstellen nach Bautzen bringen. Da muss er zuerst an Hans-Uwe Peterz vorbei. Der sitzt als Disponent in dem weißen Container direkt an der Einfahrt. Jeder Tanklaster, der hier rein und raus will, muss an Peterz’ Container halten. Die Fahrer reichen dem 43-Jährigen ihre Abholausweise, er weist ihnen ihre Füllstelle zu. Jeden Liter Kraftstoff, der das Lager verlässt, muss Hans-Uwe Peterz penibel registrieren. Es sind so um die drei Millionen Liter jeden Tag, die hier rausfahren. 100 große Tanklaster. Kraftstoff für 60000 Pkw-Füllungen.

„Für die hohen Spritpreise können wir hier übrigens nichts“, versichert Lutz Rodig. Mit den Kraftstoffen selbst nämlich haben die Tabeg mbH und ihre 17 Mitarbeiter hier in Cunnersdorf nichts zu tun. Die Tabeg vermietet den Mineralölgesellschaften nur ihre Lagerkapazitäten und wickelt den Umschlag von Heizöl und Kraftstoffen ab.

Unbemerkt bleibt die Preisentwicklung hier aber dennoch nicht. „Wir spüren es jedesmal sofort, wenn die Preise wieder in die Höhe schießen“, sagt Lutz Rodig. Dann nämlich tanken die Leute gleich weniger, und es rollen nicht mehr um die 100, sondern nur noch 80 oder 90 Tanklaster täglich an die Abfüllstellen. „Seit die Preise jetzt so hoch sind wie noch nie, ist der Umschlag bestimmt um 15 bis 20 Prozent gesunken“, schätzt der 52-Jährige. Und schiebt sich den blauen Helm noch ein bisschen tiefer gegen den Regen ins Gesicht.

Obwohl hier über den Köpfen nur Himmel ist, sind Helme Pflicht auf dem Gelände. „So ein Tanklager ist ein Störfallbetrieb“, erklärt Rodig. „Da gelten allerhöchste Sicherheitsbestimmungen.“ Im gesamten Gelände darf nicht geraucht, darf außer in der Kantine vorsichtshalber nichts gegessen und nichts getrunken werden. Handys und Fotoapparate sind hier strikt verboten. Nicht nur aus Geheimhaltungsgründen, erklärt Rodig, sondern vor allem auch deswegen, weil es hier nichts geben darf, das auch nur im geringsten einen Funken auslösen könnte. Ein einziger Funke – und alles hier könnte in die Luft fliegen. Sogar die blauen Arbeitssachen der Mitarbeiter sind aus einem Spezialgewebe, das ableitfähig ist und sich nicht statisch aufladen kann.

Lutz Rodig muss jetzt rüber zu den Gleisen. Ein neuer Tankwagenzug rollt gerade auf das Gelände. Das Tanklager hat einen eigenen Gleisanschluss bis zum Bahnhof Cunnersdorf. Zwei Züge mit 48 großen Kesselwagen kommen jeden Tag hier an. Sie bringen die fertig gemischten Kraftstoffe direkt aus den großen Raffinerien in Leuna oder Schwedt oder vom Rostocker und dem Hamburger Hafen. Lutz Rodig muss die Zertifikate prüfen, auf denen die genaue Zusammensetzung der Produkte verzeichnet ist. Dann gibt er seinen Mitarbeitern ein Zeichen, aus welchem Kesselwagen in welchen unterirdischen Tank gepumpt wird.

Lange werden Benzin und Co. hier sowieso nicht bleiben. Von montags, 4Uhr, bis sonnabends, 9 Uhr, rollen Tag und Nacht die Tanklaster an. Heizöl, Diesel und Benzin werden gebraucht im Umkreis von 200 Kilometern. Die 17 Mitarbeiter arbeiten im Schichtdienst.

Zwei Millionen Euro, erzählt Lutz Rodig, sind in den letzten Jahren in die Modernisierung der riesigen Anlage geflossen. Sämtliche Dämpfe und Abgase werden abgesaugt, in einem großen Hochbehälter gesammelt, wieder verflüssigt und in den Kreislauf zurückgeführt. „Das ist Hightech“, schwärmt er.

Frank Schöbel aus Löbau hat seinen Aral-Laster voll. Er muss wieder an Hans-Uwe Peterz im weißen Container vorbei. Die Füllmengen werden im Computer registriert. Alles in Ordnung. Schöbel bekommt seine Frachtpapiere. Es wird nicht lange dauern, bis die 30000 Liter Diesel und Super aus seinem Laster aufgebraucht sind – trotz der hohen Preise.