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Wo die Straße ins Feld führt, fühlt Herrmann sich wohl

Familie Herrman wohnt in Niederstößwitz einsam am Feldrand. Ihr Problem: Kunden finden sich nicht zum Familienbetrieb.

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Von Ulrike Körber

Hinterm Haus von Rico und Günter Herrmann scheint die Welt zu Ende zu sein. Die Straße nach Niederstößwitz schlängelt sich einige hundert Meter über Hügel und durch Senken, dann endet sie als Sackgasse. Hinter dem Asphalt gibt es nur noch Felder und Wälder. Rico Herrmann schmunzelt. „Hier sagen sich Fuchs und Hase ‚Gute Nacht‘. Kaum ein Auto kommt vorbei. Im Sommer rumpeln nur einige Erntefahrzeuge übers Feld hinterm Haus, sonst ist Stille“, sagt er. Jedes fremde Auto, dass über die enge, dunkle Landstraße fährt, fällt auf. Da ruckt es hinter den Scheiben an den Gardinen, Augenpaare verfolgen das Fahrzeug. Effekt der einsamen Straße: Die Ruhe ist himmlisch“, sagt der 33-Jährige. Er ist ein geborener Niederstößwitzer. Seine Eltern kauften Anfang der 70er Jahre einen Dreiseitenhof.

Fünf Häuser gibt es im Ort. 19 Menschen leben dort. „Anfang der 90er Jahre hieß es, dass Niederstößwitz aussterben würde. Das haben wir aber zu verhindern gewusst“, sagt Herrmann und lacht. In fast jedem Haus gibt es kleine Kinder. Rico Herrmann denkt nicht im Traum daran, irgendwann einmal das winzige Dorf zu verlassen. „Wenn ich von Berufs wegen mal außerhalb in einer Stadt schlafen muss, bekomme ich kein Auge zu“, sagt der Maurer und Fliesenleger. Entweder ist es ihm zu laut, zu hell oder die Luft ist zu schlecht. Er braucht den unverstellten Blick übers Land und die Stille. Schon eine Kleinstadt wie Meißen würde ihn zermürben. Und so freut sich Rico Herrmann, seinen beiden Kindern auch so ein unbeschwertes Landleben bieten zu können, wie er es erlebt hat. Die Herrmanns haben eigentlich nur eine Sorge: Ihnen fehlt ein Schild. „Ein großes“, sagt Günter Herrmann. „Sonst findet uns doch hier niemand.“ Die Handwerkerfamilie hat einen kleinen Baubetrieb am Ende der Straße. Der funktioniert durch Mund-zu-Mund-Propaganda. „Ein Werbeplakat an der Kreuzung würde noch mehr Kundschaft bringen“, sagt der Seniorchef. Immer wieder hat die Familie das Schild beantragt. „Die Gemeinde wollte es auch genehmigen“, so Herrmann. Nur die übergeordnete Behörde sperrte sich. So rauschen die Kunden also weiter an der Kreuzung vorbei. Auch mancher Lkw, der Material anliefern will. „Wir dirigieren manchen Fahrer per Telefon auf unser Grundstück“, so der Juniorchef.

Jetzt geht das, in DDR-Zeiten wären Fahrmanöver schwierig gewesen, sagt Günter Herrmann. Da war die heutige Straße nur ein unbefestigter Feldweg, der nach jedem Regen zur Schlammpiste wurde. Apropos Regen und Schnee: Auch jetzt noch macht den Niederstößwitzern manches Wetter zu schaffen. Im Winter sind die Dorfbewohner regelmäßig eingeschneit. „Vor allem bei Nordwind, wenn der Sturm den Schnee über die Straße weht“, so Herrmann. „Manchen Winter saßen wir fest, bis uns schwere Bagger rausgeschaufelt haben.“ Die Herrmanns haben sich eines angewöhnt – sie haben wie früher die Bauern immer ein Ohr und Auge aufs Wetter von morgen.