Von Sebastian Münster
Gohrischheide. Unscheinbar, friedlich und beinahe niedlich sehen sie aus. Vier kleine Wolfswelpen sind erst Mitte Juli in eine Fotofalle in Niesky getappt. Die Kleinstadt bei Görlitz in der Oberlausitz gehört nach Angaben des Kontaktbüros „Wolfsregion Lausitz“ zu den neun offiziellen Wolfsrevieren im Freistaat. Gleiches gilt für die Königsbrücker Heide und – vielleicht bald – auch für die Gohrischheide. Denn auch hier geraten die Vierbeiner derzeit so häufig wie nie zuvor ins Visier der automatischen Fotofallen. Erstmals wurde Ende Januar ein Exemplar des bedrohten Raubtieres im Naturschutzgebiet bei Zeithain entdeckt. Seitdem häufen sich die Sichtungen. Zuletzt ist ein Tier in den frühen Morgenstunden des 20. Juni in eine der vielen Fotofallen getappt. „Darauf ist deutlich zu sehen, wie er ängstlich den Schwanz einzieht“, beschreibt Cornelia Schlegel die Bilder amüsiert. Dieses Jahr wurde der Wolf häufiger in der Gohrischheide gesichtet als je zuvor, sagt die Sprecherin der zuständigen Naturschutzgebietsverwaltung (NSG) Königsbrücker Heide und Gohrischheide.
In der Königsbrücker Heide gibt es ohnehin bereits seit 2011 ein Rudel. Das heißt, es leben dort mindestens ein Elternpaar, die Jungen des Vorjahres und einige Welpen. „In der Gohrischheide deutet nun alles darauf hin, dass wir in den letzten Monaten zwei unterschiedliche Tiere beobachten konnten“, so Schlegel. Ob der Wolf nun aber dabei ist, in der Gohrischheide sesshaft zu werden oder ob es sich nur um gelegentliche Besucher aus Brandenburg handelt, sei schwer nachzuvollziehen, so die Sprecherin.
Tiere vor Wölfen schützen
Dennoch: Für die Mitarbeiter der NSG-Verwaltung sind das gute Nachrichten. Anders sehen das die Schäfer der Gohrischheide. Denn als Pflegemaßnahme werden die Heidelandschaften von ihnen beweidet. Für Schäfermeister Andreas Hauswald ist der Wolf das Reizthema Nummer Eins. Als erster Schäfer in Sachsen hatte sich der Mühlberger schon 2003 Herdenschutzhunde zugelegt. Als der Freistaat 2008 drei Pyrenäenberghunde zum Herdenschutz holte, meldete sich Hauswald freiwillig als Ausbilder. Die Tiere leben ständig zusammen mit der Schafsherde. Sie schützen die Tiere nachts vor Attacken der feindseligen Vierbeiner. Dennoch: Dass seine Tiere nun in Nachbarschaft zum Wolf weiden müssen, verursacht Hauswald mehr als nur Bauchschmerzen. „Wenn die Wölfe geschützt werden sollen, dann muss man auch uns vor den Wölfen schützen“, fordert er. 52 Nutztiere wurden in diesem Jahr in Sachsen von Wölfen getötet. Das teilt das Kontaktbüro „Wolfsregion Lausitz“ in einer Pressemitteilung mit. Zwar können Tierhalter 80 Prozent ihrer Ausgaben für Herdenschutzmaßnahmen finanziell fördern lassen. Schaf- und Ziegenhalter können zusätzlich weitere 20 Prozent ihrer Ausgaben über die Heinz Sielmann Stiftung bekommen, teilt das Kontaktbüro mit. Aber das sollte deutlich unbürokratischer möglich sein, fordert Schäfermeister Hauswald. Für lange Antragsprozeduren fehle ihm die Zeit.
Die Elbe gilt den Tieren im Übrigen nicht als natürliche Sperre. „Wölfe können große Flüsse durchschwimmen oder sie nutzen einfach Brücken“, sagt Vanessa Ludwig vom Kontaktbüro. Für Menschen gehe in der Regel aber keine Gefahr vom Wolf aus. Dafür seien die Tiere zu scheu.