Von Katja Zimmermann und Arndt Bretschneider
Der Tag war frostig-sonnig, als die beiden Wölfe nur wenige Kilometer von Zittau entfernt, in Polen, an einem Kadaver zerrten. Richtung Zawidow (Seidenberg), etwa 50 Meter auf freiem Feld zwischen Straße und Waldrand, rissen die beiden Tiere an ihrem Opfer, einem Wildkanichen. Ein Autofahrer wollte das Schauspiel fotografieren, aber das quietschende Bremsmanöver eines zweiten Fahrzeugs verscheuchte die Wölfe. Das war im Februar 2011.
Seitdem ist Isegrim immer öfter im Dreiländereck aufgetaucht. Ende 2012 wurde zum Beispiel ein Wolf bei Großhennersdorf gesehen; bei Dittersbach gab es Anfang dieses Jahres einen Rehriss, sehr wahrscheinlich durch die grauen Raubtiere. Aber erst, wenn es eine Häufung von Hinweisen wie zum Beispiel Sichtungen, Risse oder Spuren in einer Region gibt, wird eine intensive aktive Beobachtung durchgeführt, erklärt Jana Endel vom Wolfskontaktbüro in Rietschen. So weit ist es aber auf deutscher Seite des Dreiländerecks noch nicht.
Bei den Tschechen sieht das schon anders aus. „Wölfe bei der Grenze gesichtet. Nach 150 Jahren kehren sie zurück“ titelte Ende Januar die Zeitung Liberecky denik. Aufhänger für den Artikel war der am 24. November überfahrene Wolf im Hohwald nahe der tschechischen Grenze. Neben den Rudeln in der deutschen Lausitz gebe es auch zwei Rudel bei Zgorzelec, insgesamt 20 Exemplare und nur ein paar Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, zählte die Liberecer Zeitung weiter auf. Die Tiere durchstreifen höchstwahrscheinlich auch den Friedlander Zipfel – wo der letzte Wolf vor 143 Jahren geschossen wurde. Schließlich legen die Tiere auf ihren Beutezüge bis zu 100 Kilometer am Tag zurück.
Auch Jana Endel vom Kontaktbüro bestätigt der SZ, dass sogenannte „Wanderwölfe“ praktisch überall unterwegs sein können – auch in der Zittauer Region, obwohl es hier noch keine Nachweise gibt. Wanderwölfe sind Jungtiere, die sich von ihren Eltern getrennt haben. Im Bereich des Berzdorfer Sees habe es aber immer wieder Hinweise darauf gegeben, sagt sie. Schon vor Jahren.
Otto Kucera von der Waldverwaltung im tschechischen Frýdlant (Friedland) hat noch keine Kenntnis von durchziehenden Wölfen. Allerdings verweist er darauf, dass Wölfe im Isergebirge Schäden bei Schafherden anrichten. Jiri Langer, Pressesprecher des Liberecer Bezirks, bestätigte das der SZ. Er weiß jedoch vom Nachbarbezirk Usti: „Im Verlauf des Winters wurden Wolfsspuren im Schnee im Schluckenauer Zipfel, nahe der Stadt Varnsdorf, gemeldet.“ Jiri Husek, Leiter des Naturschutzgebiets Isergebirge, sagt, das die Ansiedlung Isegrims im Dreiländereck nur noch eine Frage der Zeit ist. Vera Bouzkova dagegen, Leiterin des Liberecer Bezirksjägerverbands, sagte dem denik, dass die Wölfe in Polen bessere Lebensbedingungen vorfinden würden. Sie erwarte deshalb in nächster Zeit keine Migration der Wölfe in die ziemlich dicht besiedelte Liberecer Region.