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Wohin führt der „Weg der roten Fahne“?

Das Bild am Kulturpalast wird frühestens Mitte 2016 restauriert. Wie geht Dresden mit seinem sozialistischen Erbe um?

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© Sven Ellger

Von Andreas Weller

Jahrelang ist die Stadt äußerst schamhaft mit den Überbleibseln der DDR umgegangen. 1992 kam das Lenin-Denkmal vor dem Hauptbahnhof weg. Auch die „Wasserwelt“, das große Mosaik von 1986 an einem Pavillon in Gorbitz, wurde 2010 abgerissen. Viele Zeichen des Sozialismus verschwanden von Bauten. Sogar über den Abriss des Kulturpalastes wurde diskutiert. Immer noch erhitzt die Dresdner Gemüter, dass der „Fünfjahrplan“ zerbrochen ist. Das Relief am ehemaligen Kühlhaus Mitte kam 2005 unter die Räder, als das Gebäude für ein Parkhaus abgerissen wurde. Bis heute streitet sich das Denkmalamt mit dem Investor, will das Relief, das an den ersten Fünfjahrplan erinnert, restauriert haben.

Immerhin ist seit Jahren klar, dass der Kulturpalast äußerlich unangetastet bleibt. Das Mosaik „Der Weg der roten Fahne“ ist allerdings verhüllt, seit Teile drohten abzufallen und es geschieht noch lange Zeit nichts daran. Der Stadtrat hat festgelegt, dass es erhalten bleibt. Für eine würdige Einordnung sorgt nun ausgerechnet ein FDP-Mann. Stadtrat Jens Genschmar hat den Antrag dazu eingebracht: „Ich bin kein Freund des DDR-Systems, aber wir dürfen die Erinnerung daran auch nicht aus dem Stadtbild tilgen. Ich bin auch dagegen, dass die Lenin-Statue weggeschafft wurde.“

Genschmars Grundidee war eine Stele, die das 30 mal 10,5 Meter große Wandbild erklärt. Das Werk wurde 1969 von Gerhard Bondzin geschaffen. „In dem Wettbewerb dazu wurden Freie Künstler ausgesiebt und systemtreue bevorzugt“, so Genschmar. Auf diese kontroverse Debatte müsse hingewiesen werden. Genschmars Devise ist: sanieren statt verhängen.

Zurück zu den Wurzeln

Jetzt haben die Stadträte aller Fraktionen einen Weg gefunden. Es geht sozusagen zurück zu den Wurzeln. In einem Workshop soll geklärt werden, wie das Wandbild erklärt und eingeordnet werden kann. Das beschloss der Kulturausschuss gestern. An dem Workshop sollen neben Räten auch Denkmalschützer, der Verein „Erkenntnis durch Erinnern“ und die Hochschule für Bildende Künste (HfBK) teilnehmen. Bondzin hatte sein Werk 1969 mit einer Arbeitsgruppe der HfBK geschaffen.

Eine Art Mahnmal soll die Debatte um das Werk abbilden und Opfer der SED-Diktatur unter den Kulturschaffenden würdigen. Wie genau dies aussehen wird, diskutieren die Teilnehmer des Workshops. So könnten beispielsweise die Konkurrenz-Entwürfe des alten Wettbewerbs im Kulturpalast ausgestellt werden und das Wandbild einen QR-Code erhalten. Mit modernen Handys und Kleincomputern kann dieser abgerufen und Interessierte zu den Erklärungen und der Geschichte des Werks geleitet werden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Denn das Wandbild ist nach wie vor verhängt und in einem schlechten Zustand. Bevor es restauriert werden kann, müssen erst alle Arbeiten der laufenden Sanierung des Kulturpalastes an der westlichen Fassade fertig sein.

Netz wird im August abgenommen

Sobald die Abrissarbeiten im Innern des Gebäudes abgeschlossen sind, wird das Schutznetz, das das Mosaik derzeit noch verhängt, entfernt. Das Netz schützt das Wandbild und soll abfallende Teile auffangen. „Diese Arbeiten im Kulturpalast sollen im August fertig sein“, sagt Rathaussprecher Kai Schulz. „Anschließend findet eine restauratorische und fotogrammetrische Bewertung des Zustandes dieses Wandbildes statt.“ Das heißt, Restauratoren und Vermesser nehmen es unter die Lupe, untersuchen den Zustand und was zur Restaurierung erforderlich ist. Sie erarbeiten ein Konzept. In diesem sollen auch die möglichen Kosten dafür berechnet werden.

Danach wird das Wandbild gereinigt, fehlende Teile sollen ersetzt, Risse und Fugen saniert werden. Ist das geschehen, bekommt das komplette Wandbild eine Schutzfolie, die atmungsaktiv ist. Diese Folie bleibt dann bis zum Beginn der richtigen Restaurierung auf dem Mosaik. Mitte 2016 können nach derzeitiger Planung die Arbeiten an dem Wandbild beginnen. Erst dann ist der Kulturpalast fertig umgebaut.

Um die Gestaltung des Umfeldes gibt es parallel eine hitzige Debatte. Das Rathaus hat einen ziemlich grauen Steinplatz geplant. Dagegen wehren sich die Grünen. Sie wollen lieber Bäume, Bänke und einen lebendigen Platz. Allerdings solle dazu das Rathaus die Dresdner in einer Versammlung befragen (die SZ berichtete).