Von Nora Domschke
Plauen hat seine Bienertmühle wieder – allerdings wird in dem riesigen Gebäude oberhalb der Weißeritz wohl nie wieder Getreide und Öl gelagert und verarbeitet. Das Plauener Denkmal hat ab jetzt eine ganz andere Aufgabe: Es wird zur Wohnstätte für junge Familien, zur vielleicht letzten Heimat für Senioren, zum Domizil auf Zeit für Studenten. Denn aus dem grauen Industriebau des 19. Jahrhunderts ist in den vergangenen Monaten ein helles und modernes Wohnhaus geworden.

Das war keine leichte Aufgabe, sagt Investor Heiko Schreiter, Geschäftsführer der Palasax GmbH. „Da passiert das eine oder andere Unvorhersehbare.“ Die Entdeckung alter Holzbalken zum Beispiel, die beim Abriss von Decken zum Vorschein kommen. Wenn das Denkmalamt dann entscheidet, dass die Relikte der einstigen Mühle wieder eingebaut werden müssen, kann das den Zeitplan gehörig ins Wanken bringen. Ganze vier Monate trocknete das Holz, bevor es wieder verbaut wurde.
Heute sind die hölzernen Originale sowie 20 gusseiserne Säulen die Hingucker in einigen der 35 Wohnungen – und bleiben zumindest als kleine Reminiszenz an die alte Bienertmühle für die Zukunft erhalten. Denn ansonsten erinnert auf den weiß gestrichenen Gängen und in den hellen Wohnungen heute kaum etwas an die frühere Nutzung des Gebäudes. Wie kompliziert dessen Umbau war, dokumentiert eine Reihe von Fotografien in den Fluren. Sie zeigen Bauarbeiter in der entkernten Gebäudehülle, von der fast nur die Außenwände stehen geblieben sind. Noch vor wenigen Monaten war es kaum vorstellbar, dass hier bald Familien wohnen. Nach der Fünf-Millionen-Euro-Investition ist nun fast alles fertig. Letzte Malerarbeiten in den Treppenhäusern sind noch nötig. Am vergangenen Wochenende wurden die Wohnungen bereits an die Eigentümer übergeben, die ersten Mieter sind eingezogen.
Im August und September kommen weitere dazu. Etwa 60 Prozent sind mittlerweile vermietet, sagt Heiko Schreiter. Besonders gefragt seien die möblierten Studentenzimmer. Für 300 Euro Kaltmiete findet der angehende Wissenschaftler auf knapp 30 Quadratmeter alles, was er für sein vorübergehendes Zuhause braucht: Einbauküche, Regale, Schreibtisch, Klappbett. 14 der insgesamt 20 Einraum-Appartements sind so ausgestattet. Wer sich Tisch, Bett und Schränke selbst aussuchen möchte und außerdem auf einen schönen Ausblick wert legt, kann eines der drei Maisonette-Lofts mieten – Blick von der Dachterrasse auf die Weißeritz, den Bienert-Park und in den Plauenschen Grund inklusive. Für 160 Quadratmeter Wohnfläche werden rund neun Euro pro Quadratmeter fällig.
Die Ruhe im Plauenschen Grund können die neuen Bewohner vorerst allerdings noch nicht richtig genießen. Denn nun starten die Bauarbeiten am Anbau des einstigen Mühlengebäudes. Dort entstehen elf weitere Wohnungen, die zwischen 60 und 100 Quadratmeter groß sind. Rund drei Millionen Euro soll die Sanierung kosten, sagt Schreiter. Wann dort die ersten Mieter einziehen werden, kann der Investor allerdings noch nicht genau sagen.
Konkreter ist indes der Termin für den Baustart an der Bienert-Villa, die Schreiter ebenfalls sanieren will. „Die Baugenehmigung ist erteilt, im September geht es los.“ Auf vier Etagen entstehen noch einmal zehn Wohnungen. Die prachtvolle Industriellenvilla, einst bewohnt von Mühlenbesitzer Gottlieb Traugott Bienert, fristet seit Jahren ein trauriges Dasein. Ein großer Riss durchzieht die Vorderfront – er entstand, als das Mühlenareal Anfang der 1990er-Jahre trockengelegt wurde. Schreiter ist trotz der schlechten Bausubstanz optimistisch, dass die Sanierung zügig voran geht.