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Wohnen, wo andere arbeiteten

Ob zwölf Lofts oder 130 Wohnungen – immer mehr Industriebauten werden in Dresden zu neuen Lebensräumen.

Von Nora Domschke
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Im Mockritzer Gaswerk wurde von 1906 bis 1922 Leuchtgas für Dresdner Straßenlaternen produziert. Nun entstehen in dem Denkmal Lofts. Im Sommer soll das Gebäude fertig saniert sein.
Im Mockritzer Gaswerk wurde von 1906 bis 1922 Leuchtgas für Dresdner Straßenlaternen produziert. Nun entstehen in dem Denkmal Lofts. Im Sommer soll das Gebäude fertig saniert sein. © Visualisierung: MDU Gruppe

Der Trend ist nicht neu: Lofts sind bei den Deutschen beliebt. Wo früher vor allem Künstler lebten, die große Räume in alten Fabrik- und Industriehallen als Atelier und Wohnung nutzten, zieht es heute auch jene Menschen hin, die nicht an der Leinwand stehen. Auch in Dresden werden zunehmend Industriebauten in Wohnhäuser umfunktioniert. Sächsische.de stellt einige vor.

Altes Gaswerk Mockritz: Ab Sommer wohnen Mieter hinter den Giebeln

Mit Rundbogenfenstern und geschwungenen Giebeln ist das ehemalige Gaswerk am Dresdner Stadtrand auf jeden Fall ein Hingucker. In Mockritz, verborgen hinter einer kleinen Anhöhe, leben die Bewohner bald in idyllischer Natur – und in geschichtsträchtigen Mauern. Denn hier wurde einst Leuchtgas produziert, das in den Laternen die Dresdner Straßen und Gehwege erhellte. Das 1906 gebaute Haus steht seit einigen Jahren unter Denkmalschutz, nun entstehen hinter der historischen Fassade zwölf Mietwohnungen mit Loftcharakter, wie es der Eigentümer beschreibt. Um den Charakter des Industriebaus zu erhalten, musste der Aufbau zwischen den Giebeln bewusst modern gestaltet werden. Die riesigen Sprossenfenster sind zwar neu, orientieren sich aber an den Originalen. Das rote Backsteinmauerwerk soll künftig an die industrielle Nutzung des Gebäudes erinnern. Weil die Klinkerfassade bröckelte, ließ der Investor, die Meißner MDU-Gruppe, neue Ziegel in der Lausitz anfertigen. Die Sanierung kostet drei Millionen Euro. Schon im Sommer sollen die ersten Mieter im Alten Gaswerk an der Babisnauer Straße 30 einziehen.

Bienertmühle Altplauen: Kleine Appartements und große Lofts

Mehr als 220 Menschen arbeiteten einst im riesigen Komplex der Bienertmühle an der Weißeritz. Das war um 1900, als der Großindustrielle Gottlieb Traugott Bienert die Mühle ausgebaut hatte und mit den Einnahmen zum zweitreichsten Mann Sachsens avancierte. Heute sind die verschiedenen Gebäudeteile zur Heimat für Kreative, Gewerbetreibende, Mieter geworden. Knapp 60 Wohnungen sind entstanden, darunter möblierte Appartements, die vor allem für Studenten gedacht sind. In den oberen Etagen gibt es große Loftwohnungen, von denen aus die Bewohner den Blick in den Plauenschen Grund genießen können. Dabei war der Umbau der einstigen Mühle gar nicht so einfach, denn es tauchten alte Holzbalken auf, die restauriert und wieder eingebaut wurden. Heute erinnern 20 gusseiserne Säulen in einigen der Wohnungen an die Vergangenheit des beeidruckenden Dresdner Industriebaus.

Die gusseisernen Säulen in den Wohnungen erinnern an die industrielle Nutzung der Bienertmühle. 
Die gusseisernen Säulen in den Wohnungen erinnern an die industrielle Nutzung der Bienertmühle.  © SZ-Archiv/Juppe

Möbelfabrik Niedersedlitz: 2014 zog Leben in die historischen Mauern ein

Klassische Lofts sind an der Ecke von Sportplatz- und Heidenauer Straße zwar nicht entstanden. Aber der Umbau in ein Wohnhaus hat das Fabrikgebäude zumindest vor dem Verfall und Abriss gerettet. Die 43 neuen Wohnungen waren letztlich schnell vermietet, denn die ruhige Wohnlage am südöstlichen Dresdner Stadtrand ist beliebt. Nach der Sanierung war die ehemalige Ruine kaum wiederzuerkennen, viele Architekturdetails des um 1900 errichteten Gebäudes wurden aufgearbeitet. In den Wohnungen sind zumindest die schweren Deckenkonstruktionen und tragenden Säulen erhalten, Küchen und Wohnzimmer sind offen gestaltet, um den Charakter und das Flair der großen Hallen erahnen zu lassen. Das Loft versteckt sich im Detail: Die Wände des Schlafzimmers sind nicht bis zur Decke geschlossen, ein großes Fenster öffnet den Raum zum Wohnzimmer hin. Der Wandel von einer Produktions- zu einer Wohnstätte kostete das Böblinger Unternehmen Ventar zehn Millionen Euro.

Tabakfabrik Striesen: Wohnen, wo einst Zigaretten hergestellt wurden

Platz für mehr als 130 Eigentumswohnungen bietet die frühere Tabakfabrik an der Glashütter Straße. In dem riesigen Striesener Industriekomplex wurden Zigaretten produziert, unter anderem der Marke F 6. Viele der Wohnungen sind inzwischen verkauft, die Sanierung soll demnächst beginnen. Das denkmalgeschützte Gebäude erweiterte ab 1912 die bereits bestehende Fabrik, charakteristisch ist der Verbindungsbau über der Glashütter Straße. Die Sanierung wird in drei Bauabschnitten erfolgen. Wie viel dabei von dem imposanten Industriebau in den Wohnungen selbst erhalten bleibt, wird sich zeigen.

Auch die historische Tabakfabrik in Striesen wird zum Wohnhaus umfunktioniert. 
Auch die historische Tabakfabrik in Striesen wird zum Wohnhaus umfunktioniert.  © Visualisierung: Viarealis